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Bausteine aus Polymeren
fasern und
röhrchen
R OLAND D ERSCH | A NDREAS G REINER |
M ARTIN S TEINHART | J OACHIM H. W ENDORFF
Beim Übergang von makroskopischen Objekten zu solchen
mit Abmessungen im Nanometer-Bereich nimmt das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen beziehungsweise zur Masse
sehr stark zu. Bei organischen Fasern und Filmen können
Oberflächen/Massen-Verhältnisse von vielen 100 m 2/g erreicht
werden, die bei Anwendungen in den Bereichen Adsorption,
Aktivfilterung und heterogene Katalyse entscheidende
Vorteile bieten, da die Effizienz derartiger Prozesse von der
Größe der zur Verfügung stehenden Oberfläche abhängt.
Eindimensional: Fasern, Stäbe, Röhren
Nanoröhrchen, Nanostäbe und Nanofasern kommen in
Richtung ihrer Längsachse, also in einer Dimension, über den
nanoskaligen Bereich hinaus, während ihre Abmessungen
in radialer Richtung nanoskalig sind. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die Kohlenstoff-Nanoröhrchen [5].
Durch maßgeschneiderte Wände können Nanoröhrchen zum Aufbau kompartimentierter Systeme dienen,
also abgegrenzter Systeme mit definierter Gestalt, Größe
und speziellen Funktionen. Diese sind unter anderem in
der Biologie oder Medizin von Interesse, etwa für den Transport und die gezielte Freisetzung von Medikamenten. Die
Abmessungen der Röhrchen können dabei im Größenbereich von einzelnen Viren, Vesikeln oder auch Enzymen
liegen.
Nanoröhrchen und Nanofasern besitzen jedoch eine Fülle weiterer potentieller Anwendungen etwa als Separationsoder Speichermedien für Gase, Flüssigkeiten oder Partikelsuspensionen, als Bauelement von Nanoperistaltikpumpen,
Nanopipetten und Nanoreagenzgläsern (Stichwort Labor
auf dem Chip), in der Osmose bzw. inversen Osmose für
Trennung und Reinigung, als Lichtleiter, in der Rastersondenmikroskopie, in der Mikroelektronik (Nanoschaltkreise,
Nanokabel, Nanokondensatoren), zur Isolierung von Bekleidung sowie zur mechanischen Verstärkung von Superleichtbauelementen. Spannende Effekte können erwartet
werden, wenn die nanoskaligen Röhrchen selbst als Vorlagen (Template) für die Erzeugung neuer Strukturen dienen.
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Abb. Mesenchymale Stammzellen wachsen auf PolylaktidNanofasern (ausgerüstet mit Calciumcarbonat), ein
erster Schritt in Richtung auf das Züchten von Knochen [13].
Nanoröhrchen: Zwei Prinzipien
zur Herstellung
Zur Herstellung von Nanoröhrchen werden zwei Konzepte verfolgt [6,7]: Selbstorganisation sowie die Verwendung von Templaten. Bei der Selbstorganisation werden
die chemischen Bauteile so funktionalisiert, dass sie sich
über spezifische Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrückenbindungen oder Charge-Transfer-Wechselwirkungen spontan in einer vorbestimmten Weise zu Nanoobjekten vereinen. Ein Beispiel ist die spontane Selbstaufwicklung von dünnen Filmen zu einer Röhre. Über Selbstorganisation konnten Röhrchen aus Kohlenstoff, Bornitrid sowie
aus Polypeptiden und Lipiden erhalten werden.
Template sind Schablonen für die Ausbildung von Nanoobjekten, ganz analog zu Backformen für die Herstellung
von Plätzchen. Die Polymerisation innerhalb der Poren von
porösen Materialien ist ein bekanntes Beispiel für ein Templatverfahren [7]. Die Polymerisation startet dabei an den
Wänden der Poren, und über die Reaktionsbedingungen
wird die Dicke der Wände eingestellt. In einer zweiten
Stufe kann das Templat entfernt werden.
Es reicht jedoch nicht aus, nur die Abmessungen einfacher Objekte wie Stäbe, Fasern oder Röhren herabzusetzen. Vielmehr müssen sie für Anwendungen häufig ein Mindestmaß an Komplexität aufweisen, d.h. aus mehreren
Schichten aufgebaut sein oder eine spezifische Phasenmorphologie oder Oberflächentopologie besitzen. Es kann
auch erforderlich sein, bestimmte Funktionsmaterialien zu
DOI: 10.1002/ciuz.200400321
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kombinieren. Je nach angestrebter Anwendung können solche Strukturen aus Kunststoffen, Metallen, Keramiken oder
Gläsern aufgebaut und ihre Architektur einfach (kompakte
Faser, Hohlfaser) oder komplex (Multischichtaufbau aus
unterschiedlichen Materialien) sein.
Benötigt werden somit Herstellungsmethoden für eindimensionale Nanostrukturen, die es ermöglichen
– nanostrukturierte Systeme für eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien zu realisieren,
– komplexe Architekturen zu erzeugen, z.B. nanoskalige
Gradientenstrukturen,
– komplexe Topologien zu erzeugen, um beispielsweise
spezifische Absorption zu erreichen oder zu vermeiden,
– Funktionen in Nanoobjekte zu integrieren,
– unterschiedliche Texturen (parallel, als Filz,
als Gewebe) zu erzeugen,
– eine Integration in größere Systeme vornehmen zu
können,
– möglichst hohe Umsätze zu erreichen.
Zugeschnitten auf diese Anforderungen wurden in
jüngster Zeit, aufbauend auf der Verwendung organischer
Polymere, eine Reihe von Verfahren entwickelt, die die Herstellung nanostrukturierter Funktionseinheiten wie Fasern,
Stäbe, Röhrchen und Kabel mit hoher Komplexität aus den
unterschiedlichsten Materialien (anorganische Gläser, Metalle, synthetische und natürliche Polymere) erlauben. Auch
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Nanowissenschaft und Nanotechnologie werden derzeit nicht nur unter Wissenschaftlern
heiß diskutiert [1]. Dieses Thema fasziniert, ruft aber auch unterschwellige Ängste
hervor. Der Grund hierfür dürfte sein, dass Nanoobjekte so unvorstellbar klein sind, dass
man sie weder mit dem Auge noch mit dem Lichtmikroskop erkennen kann. Vermehrt
treten Personen und Organisationen auf, die vor der Nanotechnologie im Allgemeinen
warnen. Diese Sorgen müssen von den Wissenschaftlern ernst genommen und
glaubwürdig diskutiert werden, auch hinsichtlich toxikologischer Fragen, will man nicht
ähnliche Akzeptanz-Probleme wie bei der Gentechnologie bekommen [2].
Jedoch werden auch die großen Chancen gesehen, welche die Nanowissenschaft eröffnet.
Von dem Nobelpreisträger Heinrich Rohrer stammt folgender, anlässlich der Eröffnung
der Messe Nanofair 2003 in der Schweiz getätigte Ausspruch:
„Die Nanotechnologie wird unser Leben in nicht geringerem Maße revolutionieren, als es
die Mikroelektronik im vergangenen halben Jahrhundert getan hat. Nur die, die sich jetzt
engagieren, werden diejenigen sein, die die Zukunft gestalten. Lasst uns die Gelegenheit
ergreifen.“
Gegenwärtig werden hohe Summen in die Weiterentwicklung der Nanotechnologie
investiert, wobei nicht nur Länder wie USA, Europa oder Japan, sondern auch China,
Südkorea und Australien eine bedeutende Rolle spielen. Die Markterwartungen für die
nächsten Jahre liegen im Bereich vieler 100 Milliarden bis hin zu Billionen US-Dollar.
Dabei werden segensreiche Fortschritte nicht nur bei der Veredelung von unterschiedlichsten Oberflächen erwartet, sondern beispielsweise auch in der Umwelttechnik, Optik
oder Medizin [3].
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Die Reduktion der Abmessungen von Objekten in den Bereich von Nanometern ist ein
faszinierender und universeller Ansatz zur Erzeugung neuer Eigenschaften und Funktionen bei unverändertem chemischen Aufbau des Materials. Die Nanotechnologie ist daher
eine Querschnittstechnologie, mit Auswirkungen auf so unterschiedliche Gebiete wie die
Medizin oder Pharmazie, die Elektronik, Optik, Sensorik, Informationstechnologie und
die Katalyse.
Die makroskopische Welt wird durch die klassische Physik beschrieben, die mikroskopische Welt einzelner Atome und Moleküle durch die Quantenchemie. Die Anzahl der
Atome oder Moleküle, die das Nanoobjekt bilden, verringert sich dabei von einer Größenordnung von 1021 für makroskopische Systeme auf bis zu einige 100. In diesem mesoskopischen Größenbereich (Abbildung 1) treten neuartige physikalische Phänomene auf.
Dies hat eine Fülle von Konsequenzen, die bei Materialien wie Halbleitern oder Metallen
besonders ausgeprägt sind: Bei Halbleiter-Nanopartikeln treten Quanteneffekte auf, die
sich in stark veränderten elektronischen und optischen Eigenschaften widerspiegeln [4].
Man spricht von Quantentrögen (zweidimensionale Strukturen, dünne Filme), Quantendrähten (eindimensionale Strukturen) oder Quantenpunkten (nulldimensionale Strukturen). Mit den Quantenpunkten und ihren möglichen Anwendungen beschäftigt sich der
Aufsatz von Prof. Schmid in diesem Heft.
Dieser Beitrag befasst sich vorrangig mit synthetischen Polymeren. Wegen der im
Vergleich beispielsweise zu anorganischen Halbleitern wesentlich größeren Lokalisierung
der Elektronen an einzelnen Atomen darf man hier keine ausgeprägten Quanteneffekte
erwarten. Dafür treten bei organischen Materialien beim Übergang von makroskopischen Objekten zu solchen mit Abmessungen im Nanometer-Bereich andere interessante
Veränderungen auf: So nimmt bei Fasern und Filmen das Verhältnis von Oberfläche zu
Volumen sehr stark zu. Oberflächen/Massen-Verhältnisse von vielen 100 m2/g, wie sie
mit nanostrukturierten Materialien problemlos erreicht werden können, haben für
Anwendungen in den Bereichen Adsorption, Aktivfilterung und heterogene Katalyse
entscheidende Vorteile, da die Effizienz derartiger Prozesse von der Größe der zur Verfügung stehenden Oberfläche abhängt.
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Abb. 1 Nanotechnologie findet am Übergang von der makroskopischen zur mikroskopischen Welt statt, im mesoskopischen Bereich. Dieser ist sowohl über eine zunehmende
Miniaturisierung (Top-down) als auch über Konstruktionen
ausgehend von einzelnen Molekülen (Bottom-up) zugänglich.
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a) Ein Tropfen
einer Polymerlösung oder Polymerschmelze wird
im elektrischen
Feld deformiert, es
bildet sich ein
Flüssigkeitsstrahl
(Jet) aus, der in
Richtung auf die
Gegenelektrode
beschleunigt wird;
b) Laborapparatur.
Abb. 3 Elektrogesponnene Fasern.
a) Ungeordneter
Filz aus Polyacrylnitril, b) Parallele
Anordnung von
Polyethylenoxidfasern erzeugt
über spezielle
rahmenförmige
Elektroden.
>> Abb. 4
a) Polyamid 6Nanofasern und
b) Elektronenbeugungsdiagramm
an den Fasern. Die
ungleichmäßige
Verteilung der
Beugungsintensität signalisiert
eine hohe Orientierung der Kristalle entlang der
Faserrichtung.
3 a)
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ABB. 2
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a)
b)
Materialkombinationen und Hybridsysteme sind realisierbar. Das Polymermaterial wirkt dabei in vielen Fällen als
strukturgebende Komponente und wird in einem späteren
Schritt wieder entfernt.
Nanofasern über Elektrospinnen [8]
Nanofasern sind von großem Interesse für eine Vielzahl von
Anwendungen. Dazu zählen in Analogie zur Faserverstärkung die Nanoverstärkung von Polymeren, Tissue Engineering, d.h. die Nachzüchtung von menschlichen Geweben
wie Haut bis hin zu Knochen und menschlichen Organen,
spezielle Filter und Schutzkleidung z.B. gegen biologische
Kampfstoffe sowie die Verwendung als Template für die
Herstellung von unendlich langen Nanoröhrchen [9].
Ziel ist die Erzeugung von Fasern aus organischen Materialien (Dielektrika), vorzugsweise aus Polymeren, mit Abmessungen bis herab zu einigen Nanometern. Diese lassen
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sich mit den konventionellen technischen Verfahren wie
Extrusion (die Schmelze oder Lösung wird durch enge Düsen gepumpt) oder Meltblowing (die Schmelze wird durch
enge Düsen gepumpt und einem starken Luftstrahl ausgesetzt) nicht erzielen, wohl aber mit dem Elektrospinnverfahren. Dieses ist zwar schon seit vielen Jahrzehnten bekannt, geriet zwischenzeitlich aber in Vergessenheit [8].
Die Nanofaserbildung erfolgt dabei mittels einer hohen
elektrischen Spannung, angelegt zwischen einer Düse und
einer Gegenelektrode (Abbildung 2). Das zu verspinnende
Material liegt als Schmelze oder Lösung vor und wird durch
die Düse transportiert. Das elektrische Feld verformt über
induzierte Ladungen den aus der Düse austretenden Tropfen und bewirkt den Austritt eines feinen Materiestrahls.
Dieser wird bei genügend hohen Feldern sehr komplexen
Deformationen in Form von Biegeinstabilitäten (sogenannte Whipping Modes) unterworfen, kräftig gedehnt, orien-
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tiert und in Richtung auf die Gegenelektrode beschleunigt.
Der Materialstrom wird schließlich auf einem Substrat, das
sich über der Gegenelektrode befindet (Glas, Metall, Papier),
in Form feinster Fasern abgeschieden. Während des Spinnvorgangs verdunstet das Lösungsmittel, beziehungsweise
die Schmelze erkaltet.
Abgeschieden werden die Fasern mit einer Geschwindigkeit von vielen Metern pro Sekunde. Sie sind nahezu unendlich lang und bilden ein sehr feines Gespinst (Abbildung
3). Über die Spinnparameter lassen sich die Durchmesser
der Fasern in einem weiten Bereich bis zu einigen Nanometern herab einstellen. Dabei lassen sich auf dem Substrat
großflächige Faseranordnungen mit Ausdehnungen in den
Quadratmeter-Bereich abscheiden. Das Verfahren eignet
sich für so unterschiedliche natürliche und synthetische Polymere wie Polyamid, Polycarbonat, Polymethylmethacrylat,
Polynorbornen, Polyvinylidenfluorid, Cellulose, Polylactid,
Blockcopolymere und Polymerlegierungen. Voraussetzung
ist eine auf das jeweilige Material abgestimmte Einstellung
der Spinnparameter. Wichtig sind z.B. das Elektrodenmaterial, die Elektrodenform und –anordnung, die Gegenwart
von Hilfs- und Steuerelektroden, die Viskosität, die Oberflächenspannung und die Leitfähigkeit der zu verspinnenden Flüssigkeit.
Für viele Anwendungen wie die der mechanischen Verstärkung ist es wichtig, dass es während des Elektrospinnens zu einer zumindest partiellen Orientierung der Kettenmoleküle in den Fasern (Abbildung 4) kommt. Dies ist
durch Elektronenbeugung nachweisbar [10]. Die erhaltenen Orientierungen entsprechen durchaus denen kommerzieller, makroskopischer Fasern, die durch Schmelzextrusion und anschließende Verstreckung hergestellt wurden.
Funktionalisierte Fasern
Werden Nanofasern mit einer strukturierten Oberfläche versehen, ändert sich beispielsweise das Benetzungs- und Adsorptionsverhalten oder das Verhältnis von Oberfläche zu
Volumen. Ferner finden oberflächenmodifizierte Fasern Anwendungen als Template für innenstrukturierte Röhrchen
(s.u.). Zur Erzeugung solcher Oberflächenstrukturen wird
eine während des Elektrospinnens einsetzende Phasenseparation genutzt [11]. Hierfür kann man Polymerlösungen
verwenden, die bei der schnellen Verdunstung des Lösungsmittels während der Bildung und Verstreckung des Mate-
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riestrahls entmischen. Dies führt zu einer bestimmten Phasenmorphologie und schließlich zu einer entsprechenden
Strukturierung der Fasern (Abbildung 5).
Ein zweiter Weg ist die Verwendung von ternären
Systemen aus zwei inkompatiblen Polymeren und einem
Lösungsmittel. Bei der Fasererzeugung tritt wiederum eine
Entmischung ein, und es bilden sich Bereiche, die vorwiegend aus einem der beiden Polymere bestehen. Solche Kompositfasern sind für sich allein genommen bereits interessant, weil sie die Eigenschaften der reinen Materialien, aus
denen sie bestehen, in vorteilhafter Weise kombinieren können. Entfernt man selektiv eine der beiden Komponenten,
entstehen wiederum Fasern mit spezifischen Oberflächenstrukturen.
Mittels des Elektrospinnens lassen sich auch Zusätze
wie Farbstoffe, Pigmente oder Nanopartikel in die Faserarchitektur integrieren (Abbildung 6). Kolloidale Metallteilchen z. B. können über eine Reduktion von Metallsalzen
eingebaut werden. Als Reduktionsmittel werden unter anderem Alkohole, Ether und Ethylendiamintetraessigsäure
(EDTA) verwendet. Ein anderer Weg sieht die Herstellung
von Metallkolloiden durch Photolyse vor; eine solche kolloidhaltige Lösung lässt sich zu Fasern verspinnen, in denen
die Metallkolloide fein verteilt sind.
Ein großer Vorteil des Elektrospinnens ist die Möglichkeit, auch Wasser als Lösungsmittel verwenden zu können.
So lassen sich wasserlösliche Polymere wie Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon und Polyethylenoxid, aber auch
wasserlösliche biologische Systeme verarbeiten.
Die Anzahl an
Veröffentlichungen
zum Elektrospinnen
nimmt gegenwärtig
sprunghaft zu und
gleiches gilt für die
vorgeschlagenen
Anwendungen. In
Europa gibt es
bisher nur wenige
Einrichtungen, die
sich mit diesem
Thema befassen,
ganz im Gegensatz
zu den USA.
Co-Elektrospinnen von Kern-Schale [12]
In jüngster Zeit ist es gelungen, das Elektrospinnverfahren
so zu modifizieren, dass Kern-Mantel-Strukturen direkt beim
Spinnen entstehen. Verwendet werden hierfür konzentrisch
angeordnete Düsen, durch die unabhängig voneinander unterschiedliche Lösungen gepumpt werden (Abbildung 7a).
Durch geschickte Wahl der Randbedingungen lassen sich
die Materieströme laminar halten, so dass keine Durchmischung erfolgt (Abbildung 7b).
Anwendungen von Nanofasern
Eine der Hauptanwendungen liegt gegenwärtig im Bereich
der Filterung. Zu diesem Zweck kombiniert man konventionelle Filtermatten mit Faserdurchmessern im Mikrome-
6
<< Abb. 5 Oberflächenstrukturierte Polylactidfasern hergestellt
durch die Ausnutzung von PhasenseparationsProzessen beim
Elektrospinnen.
Bemerkenswert
ist die regelmäßige poröse Struktur. Die Poren
besitzen einen
ellipsoidalen
Querschnitt, und
sind in Richtung
der Faserachse
etwa 300 nm lang
und senkrecht
dazu 50 nm bis
150 nm breit.
< Abb. 6 Elektrogesponnene
Fasern mit eingelagerten Silbernanopartikeln.
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Abb. 7 a) Prinzip:
Zwei verschiedene
Materialien
werden durch eine
Anordnung zweier
konzentrischer
Kapillaren versponnen, b) KernMantel-Fasern
hergestellt durch
Co-Elektrospinnen. (Kern: Polydodecylthiophen,
Mantel: Polyethylenoxid).
Abb. 8 Ummantelte PolylaktidNanofasern mit
Palladium/Rhodium-Nanopartikeln; der Einschub
zeigt, dass die
Partikel nicht
aggregiert sind,
b) Halterung der
Nanofasern für die
Reaktion, c) Reaktion, die mit den
in a) und b) gezeigten Nanofasern durchgeführt wurde.
ABB. 7
a)
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kunststoff ist in für Katalysereaktionen relevanten Löterbereich mit Lagen aus Nanofasern. Erreicht wird dabei
sungsmitteln unlöslich.
eine wesentliche Steigerung der Effektivität und der EinIm medizinischen Bereich kristallisiert sich als Anwensatzdauer, ohne dass der Druckverlust beim Durchströmen
dung das Tissue Engineering heraus, die Nachzüchtung
des Filters wesentlich ansteigt. Die Poren des Filtermatevon durch Unfall oder Krankheit beschädigtem Gewebe,
rials setzen sich nicht so schnell zu, durch eine Gegenz.B. Haut, Knorpel, Knochen, ja bis hin zu ganzen Organen.
strömung wird eine sehr effektive Abreinigung des Filters
Der Grundgedanke ist, durch ein bioabbaubares Templat
erzielt.
die erwünschte Form vorzugeben, Zellen auf dem Templat
Ein weiteres Anwendungsgebiet betrifft die Katalyse
anzusiedeln und dann ein Zellenwachstum zu stimulieren.
und zwar sowohl die heterogene als auch die homogene.
Fasern mit nanoskaligen Abmessungen scheinen die AnKatalytische Verfahren lassen sich durch gute Abtrennbarsiedlung und die Proliferation von Zellen zu begünstigen.
keit des Katalysators vereinfachen. Generell sind heteroDie bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass die für eine
gene Katalysatoren deutlich einfacher abzutrennen als hoZüchtung verwendeten mesenchymalen Stammzellen famogene, jedoch ist die Aktivität der homogenen in der Reserartige Substrate mit Faserdurchmessern von einigen 100
gel erheblich höher. Hier soll nur die heterogene Katalyse
nm bevorzugen. Abbildung 9 zeigt als Beispiel das Wachsbetrachtet werden. Die für die geringere Effektivität meist
tum von mesenchymalen Stammzellen auf einem Substrat
verantwortliche kleinere Oberfläche heterogener Katalysamit dem Ziel des Züchtens von Knochen (vgl. auch S. 26).
toren kann durch den Übergang in den Nanomaßstab stark
Polylactid ist bioabbaubar und zersetzt sich im Verlauf des
vergrößert werden. Als Trägermaterial muss zur optimalen
Knochenaufbaus.
Verteilung eine ebenfalls nanostrukturierte Umgebung geEine weitere Anwendung ist die Wundbehandlung,
funden werden. Elektrogesponnene Nanofasern aus Polyda ein direkt auf die Wunde gesponnenes nanostrukturiermeren weisen hierfür herausragende Eigenschaften auf.
tes Gewebe Bakterien ausschließt, Schorfbildung reduziert
Durch Elektrospinnen können sehr lange, auch orientierte
und gegebenenfalls Medikamente lokal kontrolliert abgeFasern gewonnen werden, in die schon beim Herstellungsben kann (Abbildung 10). Im Kosmetikbereich ist die Verprozess der Katalysator eingebracht wird. Die sehr große
wendung von Nanofasergespinsten als Hautmaske zur loOberfläche im Verhältnis zum Volumen der Fasern und gekalen Wirkstoffapplikation angedacht. Viele weitere Anwenringe Diffusionswege bringen den Katalysator optimal mit
den Edukten zusammen (Abbildung 8).
Die große Vielfalt an verspinnbaABB. 8
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ren Polymeren bringt gute Möglichkeiten für die Anpassung an das jec)
weils benötigte Katalysator-Lösungsmittelsystem mit sich. Durch Beschichtung der Fasern mit Filmen aus Polyparaxylylen im Nanometerbereich
kann der Einsatzspielraum stark erweitert werden. Dieser Membran-
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dungen in der Medizin werden gegenwärtig intensiv erforscht. Insbesondere in den USA steht die Entwicklung
von Schutzkleidung gegen chemische und biologische
Kampfmittel im Brennpunkt des Interesses: Nanofaser-Gewebe, ausgerüstet mit Enzymen oder allgemein mit Katalysatoren, die gefährliche Stoffe herausfiltern und unschädlich
machen, werden intensiv untersucht.
Nanoröhrchen aus Polymeren
Die Herstellung wohldefinierter Nanoröhrchen mit spezifischen, unter Umständen komplexen Wandarchitekturen aus
organischen Polymeren sowie anderen Funktionsmaterialien und Materialkombinationen ist nach wie vor eine wissenschaftliche Herausforderung. Im Folgenden werden zwei
auf der Verwendung von Templaten basierende Verfahren
vorgestellt, die sich in idealer Weise ergänzen. Mit ihnen gelingt es, die Durchmesser von Polymer-Nanoröhrchen innerhalb eines mehrere Größenordnungen umfassenden Bereichs frei wählen zu können. Komplex aufgebaute Röhrchenwände lassen sich realisieren, und die Röhrchen können in definierter Weise in Überstrukturen angeordnet
werden. Sowohl Membranen aus parallel angeordneten
Röhrchen mit definierten Achsenverhältnissen als auch
großflächige und mechanisch stabile stoffartige Gewebe
sind zugänglich. Das eine Verfahren, der TUFT-Prozess, beruht auf der Beschichtung von Templatfasern [9,14]. Das
zweite Verfahren stützt sich auf die Benetzung von porösen
Templaten [15-17]. In beiden Fällen kann das Templat nach
der Röhrchenbildung selektiv entfernt werden.
Das TUFT-Verfahren
(Tubes by Fiber Templates): Röhrchen über Fasertemplate
Abbaubare oder selektiv lösliche Polymerfasern mit
Durchmessern von weniger als 10 nm bis zu einigen Mikrometern, die durch Elektrospinnen sehr kontrolliert herstellbar sind, können mit einer Vielzahl unterschiedlicher
Wandmaterialien beschichtet werden. Diese wiederum
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bleiben nach dem Entfernen der Templatfasern erhalten
und lassen sich weiter funktionalisieren. (Abbildung 11).
Alle Schritte eignen sich im Prinzip für einen industriellen
Prozess.
Der erste Schritt des Verfahrens ist die Herstellung der
Templatfasern, die die Form, den Querschnitt und die Oberflächenstruktur auf der Innenseite der späteren Röhre vorgeben. Dies geschieht vorzugsweise mittels Elektrospinnen.
Im zweiten Schritt wird das Mantelmaterial des zu erzeugenden Röhrchens auf die Templatfasern aufgebracht. Hierzu eignen sich bekannte Verfahren wie Tauch-, Aufschleuder- und Sprühmethoden. Sehr vorteilhaft kann eine Beschichtung aus der Gasphase (Chemical Vapor Deposition)
sein, weil sie im allgemeinen in sehr definierter Weise verläuft, die Oberflächentopologie der Templatfasern sehr
genau reproduziert, und Verunreinigungen wie etwa Lösungsmittel vermieden werden. Die Beschichtung mit dem
Polymeren Polyparaxylylen (PPX) beispielsweise geschieht
über die Pyrolyse des Ausgangsstoffes [2,2]-Paracylophan,
dem Transport des gebildeten flüchtigen Monomeren über
die Gasphase und dessen Abscheidung auf der Faser unter
sehr milden Bedingungen, gefolgt von einer spontan einsetzenden Polymerisation (Abbildung 12).
Schließlich wird die Templatfaser selektiv entfernt. Dies
geschieht durch Pyrolyse, wenn sich der Kunststoff, aus
dem die Templatfaser besteht, bei hohen Temperaturen
leicht in flüchtige Grundbausteine zersetzt. Tempern bei
250 oC führt beispielsweise zum vollständigen Abbau von
Polylactid. Polyamide oder Polyethylenoxid lassen sich mit
einem Lösungsmittel selektiv extrahieren. Ein biologischer
Abbau kann ebenfalls zum Ziel führen. Abbildung 13 zeigt
Polymerröhrchen, die mit dem TUFT-Verfahren hergestellt
wurden.
Die so erhaltenen Nanoröhrchen lassen sich weiter
funktionalisieren. An der Innen- oder Außenwand können
chemisch selektiv funktionelle Gruppen eingeführt werABB. 11
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Abb. 9 Mesenchymale Stammzellen
wachsen auf Polylaktid-Nanofasern
(ausgerüstet mit
Calciumcarbonat),
ein erster Schritt
in Richtung auf
das Züchten von
Knochen [13].
T U F T-V E R FA H R E N
<< Abb. 10 Elektrospinnen von
Nanofasern direkt auf den Körper mittels einer
batteriebetriebenen Handapparatur.
< Das TUFT-Verfahren, schematisch: Templatfasern werden beschichtet, die
Templatfaser selektiv entfernt;
links: Einfachbeschichtung,
rechts: Mehrfachbeschichtung.
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somit praktisch beliebige Kompositstrukturen präparierbar
sein sollten.
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Mesoporöse Template
Prinzip der Beschichtung mit
Polyparaxylylen
(PPX) durch Pyrolyse des Ausgangstoffes [2,2]Paracylophan.
Abb. 13 Feinstes
Polymerröhrchen, hergestellt
nach dem TUFTVerfahren.
> Abb. 14 Nanoröhrchen aus
Titandioxid (a,b)
und Chrom (c).
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den. In die Wände lassen sich farbige Pigmente oder Nanopartikel einbauen, die die elektrische Leitfähigkeit oder
die magnetischen Eigenschaften modifizieren. Wenn die
Oberfläche der Röhrchen Noppen oder Poren aufweist, ermöglicht dies die Kontrolle des Benetzungsverhaltens oder
des Materietransportes durch die Röhrchenwände. Auf den
Templatfasern lassen sich neben Polymeren auch Metalle
oder anorganische Gläser abscheiden (Abbildung 14). So
wurden bereits Röhrchen aus Aluminium, Palladium, Platin,
Titandioxid und Glas erzeugt. Die Dimensionierung und
Strukturierung der Röhrchen wird durch die Templatfasern
eingestellt.
Durch sequentielle Beschichtung der Templatfasern, etwa durch sukzessive Bedampfungsschritte, lassen sich komplexere Multischichtröhrchen aus den unterschiedlichsten
Materialkombinationen herstellen. Beispielsweise sind Hohlfasern mit einer inneren Metallwand und einer äußeren Polymerwand zugänglich [9]. Um Nanokabel zu erhalten, werden Polymere, die metallorganische Verbindungen wie Palladiumacetat enthalten, zu Nanofasern versponnen und beschichtet. Die Temperung bei höheren Temperaturen bewirkt in einem Schritt sowohl die Bildung von Metallnanopartikeln durch Zersetzung der metallorganischen Spezies
als auch das selektive Entfernen der Templatfaser (Abbildung 15). Die TUFT- Methode ist noch sehr ausbaufähig, da
im Prinzip alles auf allem abgeschieden werden kann und
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Der größte Vorteil des sehr flexibel einsetzbaren TUFT-Verfahrens ist die technologisch äußerst bedeutsame Möglichkeit, großflächige Nanoröhrchengewebe herzustellen.
Trotzdem ist es nicht für alle Problemstellungen geeignet.
Will man Nanoröhrchen als Bauteile mit spezifischen elektronischen und photonischen Eigenschaften in miniaturisierte Funktionseinheiten integrieren, müssen sie genau definierte Durchmesser und Längen besitzen. Für andere Anwendungen, etwa in den Bereichen Katalyse und Photovoltaik, wäre es vorteilhaft, sie genau parallel in den Poren
einer sie fixierenden Membran auszurichten. Dies lässt sich
mit einem von C.R. Martin eingeführten Verfahren erreichen: der Templat-Synthese [7]. Die Nanoröhrchen werden
dabei in den Poren eines nanoporösen Materials synthetisiert. Die Poren wirken als Schablone und die Röhrchen
sind deren Repliken. Diese Methode kann dazu verwendet
werden, poröse Membranen zu funktionalisieren. Werden
die Porenwände mit geeigneten Materialien beschichtet,
können diese als Batterien oder chemisch hochspezifische
Filter dienen.
Die Templat-Methode besitzt den großen Vorteil, dass
die Schablonen aus Materialien hergestellt werden können,
die leicht nanostrukturierbar sind. Die Abmessungen der Poren können nahezu frei gewählt werden. Mesoporöse Strukturen mit Porendurchmessern zwischen zwei und 50 Nanometern sowie makroporöse Strukturen mit Porendurchmessern zwischen 50 Nanometern und wenigen Tausendstel Millimetern sind durch Selbstorganisationsprozesse zugänglich. Auch lithographische Methoden können zur Erzeugung der Poren mit Durchmessern herab bis zu wenigen
100 Nanometern eingesetzt werden, wobei diese Poren
dann besonders regelmäßig angeordnet sind. Ein Beispiel
hierfür ist die in Abbildung 16 abgebildete Struktur aus
porösem Aluminiumoxid, die durch elektrochemisches
Ätzen in ein mittels Nanoimprint-Lithographie vorstrukturiertes Aluminiumsubstrat erhalten wurde [18]. Das Templat
kann auch selektiv entfernt werden, so dass die dann
freien Nanoröhrchen in Pulverform vorliegen.
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Benetzung poröser Template [15-17]
Eine wichtige Erweiterung des bis dato für die Präparation
von Nanoröhrchen zur Verfügung stehenden Methodenspektrums ist die Kombination der Templat-Methode mit
einem universellen physikalischen Phänomen: Benetzung.
Bestehen die Wände der Templatporen aus einem Material,
das eine hohe Oberflächenenergie aufweist, so benetzen
alle Flüssigkeiten, die eine niedrigere Oberflächenenergie
besitzen, die Porenwand vollständig (Abbildung 17). Im
Falle niedrigviskoser Flüssigkeiten wie Wasser findet sehr
schnell eine komplette Befüllung des Porenvolumens statt.
Etwas anderes beobachtet man, wenn die Flüssigkeit Polymere enthält, wenn es sich bei ihr also um eine Polymerschmelze oder -lösung handelt. Dann bildet sich sehr schnell
auf den Porenwänden zunächst ein wenige Nanometer bis
wenige zehn Nanometer dünner Film, eine anschließende
komplette schnelle Befüllung erfolgt nicht. Das Polymer
wird nach der Benetzung der Porenwände zur Erstarrung
gebracht, etwa indem man es abkühlt, oder indem man ein
Lösungsmittel verdampfen lässt. Dabei verglast das Polymer,
oder es wird durch Kristallisation fest. Das Ergebnis sind Polymer-Nanoröhrchen in den Poren der Templatstruktur.
Der Grund für die schnelle Ausbildung des Filmes auf
den Porenwänden sind die starken Adhäsionskräfte, die
zwischen Flüssigkeit und Wand wirken. Diese werden sozusagen neutralisiert, und das Befüllen des restlichen Porenvolumens erfolgt aufgrund des Wachstums von Instabilitäten
im Film wesentlich langsamer.
Diese Methode ist so universell, dass sie sich auf alle Polymere anwenden lässt, die irgendwie, sei es durch Lösen
oder Schmelzen, in Form einer Flüssigkeit verarbeitet werden können. Abbildung 18 zeigt beispielsweise rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Polystyrol-Nanoröhrchen. Erstmals konnten auch Nanoröhrchen aus Hochleistungspolymeren wie Polyetheretherketon, und vor allem
Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon®) hergestellt werden,
die sich durch eine herausragende chemische Resistenz und
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eine außergewöhnliche Hitzebeständigkeit auszeichnen.
PTFE mit ultrahohem Molekulargewicht (106 –107 g/mol)
besitzt eine so hohe Schmelzeviskosität, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Polymeren nicht viskos fließt.
PTFE-Formteile werden daher produziert, indem man
kleine PTFE-Kügelchen zusammensintern lässt. Presst man
PTFE auf ein auf etwa 400° erhitztes Templat, kommen die
PTFE-Ketten allerdings so nahe an dessen Oberfläche, dass
die den Benetzungsprozess treibenden intermolekularen
Kräfte zwischen Oberfläche und PTFE-Ketten wirksam werden, und die PTFE-Ketten sich in die Poren hinein bewegen.
Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Benetzung
der Porenwand aufgrund von Oberflächendiffusion und
nicht aufgrund eines viskosen Fließprozesses erfolgt. Viskoses Fließen kann jedoch den Transport der Polymermoleküle in die Nähe der Templatoberfläche begünstigen.
Die Polymermoleküle kriechen zunächst wie Schnecken
in die Poren. Dabei liegen sie meist flach auf der Porenwand. Da das flüssige Reservoir, aus dem sie stammen, in
erster Näherung als unendlich, die zu benetzende Porenoberfläche als endlich betrachtet werden kann, finden Relaxationsprozesse statt. Die Moleküle nehmen dann eine
entropisch und enthalpisch günstigere Konformation ein.
Röntgenbeugungsuntersuchungen an in den Templaten orientierten Nanoröhrchen aus Polyvinylidenfluorid [17] ergaben, dass die Struktur der Röhrchenwände erheblich von
den Herstellungsparametern abhängt: Benetzt man mit
Schmelzen, sind die Wände in hohem Maße kristallin, benetzt man hingegen mit bestimmten Lösungen dieses Polymers, sind die Wände der erhaltenen Nanoröhrchen praktisch amorph.
Nanoröhrchen mit komplexer Morphologie
Die Templatbenetzung ermöglicht die Herstellung von
Nanoröhrchen mit speziellen Eigenschaften oder einem
komplexem Aufbau. Beispiele sind Röhrchen aus ferroelektrischen Oxiden wie Bleizirkonattitanat (PZT) (PbZr0.52
16 a)
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<< Abb. 15 Nanokabel, aufgebaut
aus einer Palladiumseele und
PPX als isolierendem Mantel.
< Abb. 16 Poröses
Aluminiumoxid,
das durch Nanoimprintlithographie hergestellt
wurde. (a) Querschnitt, (b) Oberseite [18].
Abb. 17 Schematische Darstellung
der Templatbenetzung. (a) Eine
polymerhaltige
Flüssigkeit steht in
Kontakt mit einem
Templat. (b) Ein
dünner Film benetzt die Porenwände. Dieser
Zustand wird eingefroren, bevor
das Porenvolumen
beginnt, sich
komplett zu befüllen (c).
16 b)
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Abb. 18 Nanoröhrchen aus
Polystyrol, hergestellt durch die
Benetzung des
Templates und
dessen anschließende selektive
Entfernung.
> Abb. 19 Poröse
Palladiumröhrchen.
könnte eine Feinstruktur in den Wänden, die den DiffusiTi0.48 O3) oder Bariumtitanat (BaTiO3), zugänglich durch
onslängen der Exzitonen beziehungsweise der generierten
Benetzen poröser Template mit Vorläuferpolymeren, die die
Ladungen angepasst ist, die Effizienz dieser Bauteile entMetallkationen in stöchiometrischen Mengen enthalten
scheidend steigern. Verwendet man für den Benetzungs[19]. Sie weisen piezoelektrisches Verhalten auf, d.h., sie änprozess Vorläuferverbindungen für Palladium und Platin sodern ihre Abmessungen in Abhängigkeit von einem angewie geeignete Polymere wie Polylactid, lassen sich durch
legten äußeren elektrischen Feld. Derartige Röhrchen köneinfaches Erhitzen Nanoröhrchen aus diesen Metallen hernen in Form hochgeordneter Anordnungen (Arrays) mit eistellen, deren Wände eine spezifische Rauhigkeit oder Poroner Fläche im Quadratzentimeterbereich hergestellt wersität besitzen (Abbildung 19). Sie sind für Anwendungen in
den. Die Verfügbarkeit von Arrays solcher Mikro- und Nader Katalyse oder für Brennstoffno-Stellglieder ist eine Voraussetzellen geeignet.
zung für die Realisierung mikroERST KOMPLE XE NANOSTRUK TUREN
Mit dieser Methode lassen sich
und nanoelektromechanischer SysERMÖGLICHEN DAS SPEK TRUM
natürlich auch die Porenwände
teme, die in den nächsten JahrAN ANWENDUNGEN, DAS DER
poröser Membranen mit diesen
zehnten aller Voraussicht nach vieTECHNOLOGIE ZUGETRAUT WIRD.
Metallen beschichten, so dass man
le Technologien revolutionieren
Hybridsysteme erhält, die Milliarwerden.
den von Kavitäten oder Kapillaren
Eine Variante der Benetzungsbesitzen, die als Mikroreaktoren
methode verwendet polymerhaltidienen können. Für diese Lab-on-a-chip-Technologie könnge Mischungen, die auch erhebliche Anteile anorganischer
ten sich völlig neue Möglichkeiten eröffnen.
oder organometallischer Stoffe enthalten können. Dies könNanoröhrchen mit einer Kern-Schale-Morphologie lasnen mit dem Polymer mischbare oder mit diesem in einem
sen sich durch sukzessive Benetzungsschritte herstellen,
gemeinsamen Lösungsmittel lösbare Vorläuferverbindungen
wenn wie im Falle der Palladium- und Platin-Röhrchen die
für Metalle, Metalloxide oder Halbleiter sein. Das Polymere
Wände der direkt nach dem Benetzen erhaltenen Kompodient entweder allein als Trägermaterial für den Benetsitröhrchen chemisch so umgewandelt werden, dass sie
zungsprozess und wird danach selektiv entfernt, oder es
wiederum aus einem Material mit hoher Oberflächenenerübernimmt in den so erhaltenen Kompositröhrchen eine
gie bestehen. Die Dichte der schweren, zu Sedimentation
bestimmte Funktion. Beim Abkühlen nach einer Benetzung
und Agglomeration neigenden Metallröhrchen kann durch
aus der Schmelze oder durch das Verdampfen des gemeineine leichtere Polymerfüllung verringert werden, so dass
samen Lösungsmittels bei einer Benetzung mit einer Lödie erhaltenen Kompositröhrchen gut dispergierbar sind,
sung kann eine Entmischung einsetzen. Einige Bereiche der
etwa in Reaktionsmischungen, in denen sie als fein verRöhrchenwand bestehen dann nur aus dem Polymer, anteilte heterogene Katalysatoren fungieren sollen. Ein Polydere nur aus der Vorläuferverbindung. Tempert man die
styrolkern wird z.B. von einer Palladiumhülle ummantelt.
Kompositröhrchen bei Temperaturen, bei denen die
Auch andere Mehrschichtsysteme sind so zugänglich.
Röhrchenwand flüssig ist, findet eine Ostwald-Reifung statt.
Eine weitere Modifikation der Benetzungsmethode erDie ursprünglich große innere Grenzfläche zwischen den
laubt es, leuchtende Nanokristallite, Halbleiter-QuantenBereichen unterschiedlicher stofflicher Zusammensetzung
punkte, in die Wände der Nanoröhrchen zu integrieren.
wird dadurch kleiner, und die Struktur raut auf. Dieser
Dazu wird eine Suspension der Quantenpunkte mit einer
Prozess wird durch die begrenzende Geometrie der RöhrPolymerlösung gemischt und auf ein poröses Templat
chenwände und durch die Grenzflächenenergien an der
getropft. Das Resultat sind leuchtende Nanoröhrchen [20].
inneren und äußeren Mantelfläche erheblich beeinflusst.
So könnten Lichtemitter kontrolliert in hochgeordnete PoDa man die Reifung jederzeit durch Abkühlen einfrieren
renstrukturen, die zweidimensionale photonische Kristalle
kann, ist die Wandstruktur gezielt einstellbar.
sind, eingebracht und neuartige nanophotonische HybridFür viele Anwendungen könnte diese Möglichkeit ermaterialien hergestellt werden.
hebliche Bedeutung bekommen: Möchte man die Röhrchen
etwa in Leuchtdioden oder Photovoltaik-Zellen einsetzen,
Schlagworte
Nanofasern, Nanoröhrchen, Polymere, Elektrospinnen,
Templatverfahren
Zusammenfassung
Als Querschnittstechnologie befruchtet die Nanotechnologie
ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern, das sich von
der Optoelektronik über die Umwelttechnik, die Chemietechnik, die Sensorik, die Biotechnologie bis zur Medizin und
Pharmazie hinzieht. Nanoröhrchen und Nanofasern stellen in
diesen Bereichen eine vielseitige Plattform dar. Zu ihrer Her34
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P O LY M E R F A S E R N
stellung und weiteren Funktionalisierung wurden eine Reihe
von speziellen Verfahren wie das Elektrospinnen und das Templatverfahren auf der Basis von Nanofasern und mesoporösen
Materialien entwickelt. Sie erlauben die Präparation der Nanoobjekte aus Polymeren, Metallen, Keramiken, Gläsern und
Materialkombinationen. Die Integration solcher Objekte in
größere Bauteile ist die nächste Herausforderung.
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N A N OT EC H N O LO G I E
Die Autoren
Roland Dersch studierte Chemie in Marburg und
Edinburgh und beendete 2001 seine Diplomarbeit
über die Herstellung komplex strukturierter Fasern
durch Elektrospinnen. Seit 2001 promoviert er bei
Prof. Wendorff am Fachbereich Chemie der PhilippsUniversität Marburg mit einer Arbeit über Strukturen und Eigenschaften von Nanofasern aus Polymeren.
Summary
The nanotechnology, a cross-sectional technology par excellence, stimulates a broad spectrum of fields of applications extending from optoelectronics, sensorics, ecology, chemistry
and biotechnology to medicine and pharmacy. Nanofibers
and nanotubes are a highly versatile platform for such applications. To produce these nanoobjects a set of novel preparation techniques such as electrospinning and specific
template approaches based on nanofibers and mesoporous
substrates has been developed. Nanofibers and nanotubes
consisting of polymers, metals, ceramics, glasses or combinations of such materials have thus become accessible. The
integration of such nanoobjects in larger devices is the next
challenge
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S. Richter, M. Steinhart, N. Gaponik, A. Eychmüller, H. Hofmeister,
R.B. Wehrspohn, J.H. Wendorff, A. Rogach, M. Zacharias, Chem.
Mater., eingereicht.
Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35
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Andreas Greiner studierte Chemie in Marburg und
promovierte dort 1988. Nach einem einjährigem
Postdoc bei D. Pearson und H.-W. Schmidt in Santa
Barbara, Kalifornien, erfolgte 1995 die Habilitation
in Makromolekularer Chemie an der Universität
Marburg. 1999 folgte er einem Ruf auf eine C3-Professur für Makromolekulare und Organische Chemie
an die Universität Mainz. 2000 nahm er einen Ruf
der Universität Marburg an. A. Greiner leitet seit
1999 gemeinsam mit W. Heitz und J. H. Wendorff
das TransMIT-Zentrum für Kunststoff-Forschung und
Nanotechnologie an der Universität Marburg. Seine
Forschungsinteressen: klassische Monomer- und
Polymersynthese, Synthese von Funktionspolymeren, Nanowissenschaften und Nanotechnologie,
Anwendung von Polymeren in Optik, Elektronik,
Medizin etc. Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der
Nanotechnologie erhielt er 2000 den Arthur K.
Doolittle Preis der American Chemical Society und
war 2002 Steinhofer Lecturer der Universität
Freiburg.
Martin Steinhart studierte Chemie in Hamburg und
Marburg und fertigte seine Diplomarbeit in der Arbeitsgruppe von J. H. Wendorff an der Universität
Marburg an. Im Verlauf der Doktorarbeit entwickelte er ein Verfahren zur Herstellung von Nanoröhrchen durch Benetzung poröser Template. Seit 2003
ist er Gruppenleiter in der Abteilung Gösele am MaxPlanck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle. Seine
Forschungsinteressen: komplexe eindimensionale
Nanostrukturen und hierarchische Nanosysteme.
Joachim H. Wendorff studierte Physik an der Universität Marburg und ging nach der Promotion als
Postdoc zu Prof. F. P. Price an die University of Massachusetts, Amherst. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz
war er zwischen 1976 und 1991 Leiter der Abteilung
Physik am Deutschen Kunststoff-Institut Darmstadt.
J. H. Wendorff habilitierte 1982 bei Prof. E. W.
Fischer in Mainz. Er ist seit 1991 Inhaber eines Lehrstuhls für Physikalische Chemie an der PhilippsUniversität Marburg. 2000/2001 war er European
Visiting Professor am Key Centre for Polymer
Colloids an der University of Sydney, Australien.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. J. H. Wendorff,
Fachbereich Chemie
Hans-Meerwein-Straße
Philipps-Universität
D-35032 Marburg
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