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Bausteine aus Polymeren fasern und röhrchen R OLAND D ERSCH | A NDREAS G REINER | M ARTIN S TEINHART | J OACHIM H. W ENDORFF Beim Übergang von makroskopischen Objekten zu solchen mit Abmessungen im Nanometer-Bereich nimmt das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen beziehungsweise zur Masse sehr stark zu. Bei organischen Fasern und Filmen können Oberflächen/Massen-Verhältnisse von vielen 100 m 2/g erreicht werden, die bei Anwendungen in den Bereichen Adsorption, Aktivfilterung und heterogene Katalyse entscheidende Vorteile bieten, da die Effizienz derartiger Prozesse von der Größe der zur Verfügung stehenden Oberfläche abhängt. Eindimensional: Fasern, Stäbe, Röhren Nanoröhrchen, Nanostäbe und Nanofasern kommen in Richtung ihrer Längsachse, also in einer Dimension, über den nanoskaligen Bereich hinaus, während ihre Abmessungen in radialer Richtung nanoskalig sind. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die Kohlenstoff-Nanoröhrchen [5]. Durch maßgeschneiderte Wände können Nanoröhrchen zum Aufbau kompartimentierter Systeme dienen, also abgegrenzter Systeme mit definierter Gestalt, Größe und speziellen Funktionen. Diese sind unter anderem in der Biologie oder Medizin von Interesse, etwa für den Transport und die gezielte Freisetzung von Medikamenten. Die Abmessungen der Röhrchen können dabei im Größenbereich von einzelnen Viren, Vesikeln oder auch Enzymen liegen. Nanoröhrchen und Nanofasern besitzen jedoch eine Fülle weiterer potentieller Anwendungen etwa als Separationsoder Speichermedien für Gase, Flüssigkeiten oder Partikelsuspensionen, als Bauelement von Nanoperistaltikpumpen, Nanopipetten und Nanoreagenzgläsern (Stichwort Labor auf dem Chip), in der Osmose bzw. inversen Osmose für Trennung und Reinigung, als Lichtleiter, in der Rastersondenmikroskopie, in der Mikroelektronik (Nanoschaltkreise, Nanokabel, Nanokondensatoren), zur Isolierung von Bekleidung sowie zur mechanischen Verstärkung von Superleichtbauelementen. Spannende Effekte können erwartet werden, wenn die nanoskaligen Röhrchen selbst als Vorlagen (Template) für die Erzeugung neuer Strukturen dienen. 26 | © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Abb. Mesenchymale Stammzellen wachsen auf PolylaktidNanofasern (ausgerüstet mit Calciumcarbonat), ein erster Schritt in Richtung auf das Züchten von Knochen [13]. Nanoröhrchen: Zwei Prinzipien zur Herstellung Zur Herstellung von Nanoröhrchen werden zwei Konzepte verfolgt [6,7]: Selbstorganisation sowie die Verwendung von Templaten. Bei der Selbstorganisation werden die chemischen Bauteile so funktionalisiert, dass sie sich über spezifische Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrückenbindungen oder Charge-Transfer-Wechselwirkungen spontan in einer vorbestimmten Weise zu Nanoobjekten vereinen. Ein Beispiel ist die spontane Selbstaufwicklung von dünnen Filmen zu einer Röhre. Über Selbstorganisation konnten Röhrchen aus Kohlenstoff, Bornitrid sowie aus Polypeptiden und Lipiden erhalten werden. Template sind Schablonen für die Ausbildung von Nanoobjekten, ganz analog zu Backformen für die Herstellung von Plätzchen. Die Polymerisation innerhalb der Poren von porösen Materialien ist ein bekanntes Beispiel für ein Templatverfahren [7]. Die Polymerisation startet dabei an den Wänden der Poren, und über die Reaktionsbedingungen wird die Dicke der Wände eingestellt. In einer zweiten Stufe kann das Templat entfernt werden. Es reicht jedoch nicht aus, nur die Abmessungen einfacher Objekte wie Stäbe, Fasern oder Röhren herabzusetzen. Vielmehr müssen sie für Anwendungen häufig ein Mindestmaß an Komplexität aufweisen, d.h. aus mehreren Schichten aufgebaut sein oder eine spezifische Phasenmorphologie oder Oberflächentopologie besitzen. Es kann auch erforderlich sein, bestimmte Funktionsmaterialien zu DOI: 10.1002/ciuz.200400321 Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 P O LY M E R F A S E R N kombinieren. Je nach angestrebter Anwendung können solche Strukturen aus Kunststoffen, Metallen, Keramiken oder Gläsern aufgebaut und ihre Architektur einfach (kompakte Faser, Hohlfaser) oder komplex (Multischichtaufbau aus unterschiedlichen Materialien) sein. Benötigt werden somit Herstellungsmethoden für eindimensionale Nanostrukturen, die es ermöglichen – nanostrukturierte Systeme für eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien zu realisieren, – komplexe Architekturen zu erzeugen, z.B. nanoskalige Gradientenstrukturen, – komplexe Topologien zu erzeugen, um beispielsweise spezifische Absorption zu erreichen oder zu vermeiden, – Funktionen in Nanoobjekte zu integrieren, – unterschiedliche Texturen (parallel, als Filz, als Gewebe) zu erzeugen, – eine Integration in größere Systeme vornehmen zu können, – möglichst hohe Umsätze zu erreichen. Zugeschnitten auf diese Anforderungen wurden in jüngster Zeit, aufbauend auf der Verwendung organischer Polymere, eine Reihe von Verfahren entwickelt, die die Herstellung nanostrukturierter Funktionseinheiten wie Fasern, Stäbe, Röhrchen und Kabel mit hoher Komplexität aus den unterschiedlichsten Materialien (anorganische Gläser, Metalle, synthetische und natürliche Polymere) erlauben. Auch E I N E Q U E R S C H N I T T S T EC H N O LO G I E I N D E R A K T U E L L E N D I S KU S S I O N | Nanowissenschaft und Nanotechnologie werden derzeit nicht nur unter Wissenschaftlern heiß diskutiert [1]. Dieses Thema fasziniert, ruft aber auch unterschwellige Ängste hervor. Der Grund hierfür dürfte sein, dass Nanoobjekte so unvorstellbar klein sind, dass man sie weder mit dem Auge noch mit dem Lichtmikroskop erkennen kann. Vermehrt treten Personen und Organisationen auf, die vor der Nanotechnologie im Allgemeinen warnen. Diese Sorgen müssen von den Wissenschaftlern ernst genommen und glaubwürdig diskutiert werden, auch hinsichtlich toxikologischer Fragen, will man nicht ähnliche Akzeptanz-Probleme wie bei der Gentechnologie bekommen [2]. Jedoch werden auch die großen Chancen gesehen, welche die Nanowissenschaft eröffnet. Von dem Nobelpreisträger Heinrich Rohrer stammt folgender, anlässlich der Eröffnung der Messe Nanofair 2003 in der Schweiz getätigte Ausspruch: „Die Nanotechnologie wird unser Leben in nicht geringerem Maße revolutionieren, als es die Mikroelektronik im vergangenen halben Jahrhundert getan hat. Nur die, die sich jetzt engagieren, werden diejenigen sein, die die Zukunft gestalten. Lasst uns die Gelegenheit ergreifen.“ Gegenwärtig werden hohe Summen in die Weiterentwicklung der Nanotechnologie investiert, wobei nicht nur Länder wie USA, Europa oder Japan, sondern auch China, Südkorea und Australien eine bedeutende Rolle spielen. Die Markterwartungen für die nächsten Jahre liegen im Bereich vieler 100 Milliarden bis hin zu Billionen US-Dollar. Dabei werden segensreiche Fortschritte nicht nur bei der Veredelung von unterschiedlichsten Oberflächen erwartet, sondern beispielsweise auch in der Umwelttechnik, Optik oder Medizin [3]. | Die Reduktion der Abmessungen von Objekten in den Bereich von Nanometern ist ein faszinierender und universeller Ansatz zur Erzeugung neuer Eigenschaften und Funktionen bei unverändertem chemischen Aufbau des Materials. Die Nanotechnologie ist daher eine Querschnittstechnologie, mit Auswirkungen auf so unterschiedliche Gebiete wie die Medizin oder Pharmazie, die Elektronik, Optik, Sensorik, Informationstechnologie und die Katalyse. Die makroskopische Welt wird durch die klassische Physik beschrieben, die mikroskopische Welt einzelner Atome und Moleküle durch die Quantenchemie. Die Anzahl der Atome oder Moleküle, die das Nanoobjekt bilden, verringert sich dabei von einer Größenordnung von 1021 für makroskopische Systeme auf bis zu einige 100. In diesem mesoskopischen Größenbereich (Abbildung 1) treten neuartige physikalische Phänomene auf. Dies hat eine Fülle von Konsequenzen, die bei Materialien wie Halbleitern oder Metallen besonders ausgeprägt sind: Bei Halbleiter-Nanopartikeln treten Quanteneffekte auf, die sich in stark veränderten elektronischen und optischen Eigenschaften widerspiegeln [4]. Man spricht von Quantentrögen (zweidimensionale Strukturen, dünne Filme), Quantendrähten (eindimensionale Strukturen) oder Quantenpunkten (nulldimensionale Strukturen). Mit den Quantenpunkten und ihren möglichen Anwendungen beschäftigt sich der Aufsatz von Prof. Schmid in diesem Heft. Dieser Beitrag befasst sich vorrangig mit synthetischen Polymeren. Wegen der im Vergleich beispielsweise zu anorganischen Halbleitern wesentlich größeren Lokalisierung der Elektronen an einzelnen Atomen darf man hier keine ausgeprägten Quanteneffekte erwarten. Dafür treten bei organischen Materialien beim Übergang von makroskopischen Objekten zu solchen mit Abmessungen im Nanometer-Bereich andere interessante Veränderungen auf: So nimmt bei Fasern und Filmen das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen sehr stark zu. Oberflächen/Massen-Verhältnisse von vielen 100 m2/g, wie sie mit nanostrukturierten Materialien problemlos erreicht werden können, haben für Anwendungen in den Bereichen Adsorption, Aktivfilterung und heterogene Katalyse entscheidende Vorteile, da die Effizienz derartiger Prozesse von der Größe der zur Verfügung stehenden Oberfläche abhängt. Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 | N A N OT EC H N O LO G I E www.chiuz.de Abb. 1 Nanotechnologie findet am Übergang von der makroskopischen zur mikroskopischen Welt statt, im mesoskopischen Bereich. Dieser ist sowohl über eine zunehmende Miniaturisierung (Top-down) als auch über Konstruktionen ausgehend von einzelnen Molekülen (Bottom-up) zugänglich. © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 27 a) Ein Tropfen einer Polymerlösung oder Polymerschmelze wird im elektrischen Feld deformiert, es bildet sich ein Flüssigkeitsstrahl (Jet) aus, der in Richtung auf die Gegenelektrode beschleunigt wird; b) Laborapparatur. Abb. 3 Elektrogesponnene Fasern. a) Ungeordneter Filz aus Polyacrylnitril, b) Parallele Anordnung von Polyethylenoxidfasern erzeugt über spezielle rahmenförmige Elektroden. >> Abb. 4 a) Polyamid 6Nanofasern und b) Elektronenbeugungsdiagramm an den Fasern. Die ungleichmäßige Verteilung der Beugungsintensität signalisiert eine hohe Orientierung der Kristalle entlang der Faserrichtung. 3 a) 28 | ABB. 2 | E L E K T ROS PI N N E N a) b) Materialkombinationen und Hybridsysteme sind realisierbar. Das Polymermaterial wirkt dabei in vielen Fällen als strukturgebende Komponente und wird in einem späteren Schritt wieder entfernt. Nanofasern über Elektrospinnen [8] Nanofasern sind von großem Interesse für eine Vielzahl von Anwendungen. Dazu zählen in Analogie zur Faserverstärkung die Nanoverstärkung von Polymeren, Tissue Engineering, d.h. die Nachzüchtung von menschlichen Geweben wie Haut bis hin zu Knochen und menschlichen Organen, spezielle Filter und Schutzkleidung z.B. gegen biologische Kampfstoffe sowie die Verwendung als Template für die Herstellung von unendlich langen Nanoröhrchen [9]. Ziel ist die Erzeugung von Fasern aus organischen Materialien (Dielektrika), vorzugsweise aus Polymeren, mit Abmessungen bis herab zu einigen Nanometern. Diese lassen 3 b) © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim sich mit den konventionellen technischen Verfahren wie Extrusion (die Schmelze oder Lösung wird durch enge Düsen gepumpt) oder Meltblowing (die Schmelze wird durch enge Düsen gepumpt und einem starken Luftstrahl ausgesetzt) nicht erzielen, wohl aber mit dem Elektrospinnverfahren. Dieses ist zwar schon seit vielen Jahrzehnten bekannt, geriet zwischenzeitlich aber in Vergessenheit [8]. Die Nanofaserbildung erfolgt dabei mittels einer hohen elektrischen Spannung, angelegt zwischen einer Düse und einer Gegenelektrode (Abbildung 2). Das zu verspinnende Material liegt als Schmelze oder Lösung vor und wird durch die Düse transportiert. Das elektrische Feld verformt über induzierte Ladungen den aus der Düse austretenden Tropfen und bewirkt den Austritt eines feinen Materiestrahls. Dieser wird bei genügend hohen Feldern sehr komplexen Deformationen in Form von Biegeinstabilitäten (sogenannte Whipping Modes) unterworfen, kräftig gedehnt, orien- 4 a) www.chiuz.de 4 b) Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 P O LY M E R F A S E R N tiert und in Richtung auf die Gegenelektrode beschleunigt. Der Materialstrom wird schließlich auf einem Substrat, das sich über der Gegenelektrode befindet (Glas, Metall, Papier), in Form feinster Fasern abgeschieden. Während des Spinnvorgangs verdunstet das Lösungsmittel, beziehungsweise die Schmelze erkaltet. Abgeschieden werden die Fasern mit einer Geschwindigkeit von vielen Metern pro Sekunde. Sie sind nahezu unendlich lang und bilden ein sehr feines Gespinst (Abbildung 3). Über die Spinnparameter lassen sich die Durchmesser der Fasern in einem weiten Bereich bis zu einigen Nanometern herab einstellen. Dabei lassen sich auf dem Substrat großflächige Faseranordnungen mit Ausdehnungen in den Quadratmeter-Bereich abscheiden. Das Verfahren eignet sich für so unterschiedliche natürliche und synthetische Polymere wie Polyamid, Polycarbonat, Polymethylmethacrylat, Polynorbornen, Polyvinylidenfluorid, Cellulose, Polylactid, Blockcopolymere und Polymerlegierungen. Voraussetzung ist eine auf das jeweilige Material abgestimmte Einstellung der Spinnparameter. Wichtig sind z.B. das Elektrodenmaterial, die Elektrodenform und –anordnung, die Gegenwart von Hilfs- und Steuerelektroden, die Viskosität, die Oberflächenspannung und die Leitfähigkeit der zu verspinnenden Flüssigkeit. Für viele Anwendungen wie die der mechanischen Verstärkung ist es wichtig, dass es während des Elektrospinnens zu einer zumindest partiellen Orientierung der Kettenmoleküle in den Fasern (Abbildung 4) kommt. Dies ist durch Elektronenbeugung nachweisbar [10]. Die erhaltenen Orientierungen entsprechen durchaus denen kommerzieller, makroskopischer Fasern, die durch Schmelzextrusion und anschließende Verstreckung hergestellt wurden. Funktionalisierte Fasern Werden Nanofasern mit einer strukturierten Oberfläche versehen, ändert sich beispielsweise das Benetzungs- und Adsorptionsverhalten oder das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Ferner finden oberflächenmodifizierte Fasern Anwendungen als Template für innenstrukturierte Röhrchen (s.u.). Zur Erzeugung solcher Oberflächenstrukturen wird eine während des Elektrospinnens einsetzende Phasenseparation genutzt [11]. Hierfür kann man Polymerlösungen verwenden, die bei der schnellen Verdunstung des Lösungsmittels während der Bildung und Verstreckung des Mate- 5 | N A N OT EC H N O LO G I E riestrahls entmischen. Dies führt zu einer bestimmten Phasenmorphologie und schließlich zu einer entsprechenden Strukturierung der Fasern (Abbildung 5). Ein zweiter Weg ist die Verwendung von ternären Systemen aus zwei inkompatiblen Polymeren und einem Lösungsmittel. Bei der Fasererzeugung tritt wiederum eine Entmischung ein, und es bilden sich Bereiche, die vorwiegend aus einem der beiden Polymere bestehen. Solche Kompositfasern sind für sich allein genommen bereits interessant, weil sie die Eigenschaften der reinen Materialien, aus denen sie bestehen, in vorteilhafter Weise kombinieren können. Entfernt man selektiv eine der beiden Komponenten, entstehen wiederum Fasern mit spezifischen Oberflächenstrukturen. Mittels des Elektrospinnens lassen sich auch Zusätze wie Farbstoffe, Pigmente oder Nanopartikel in die Faserarchitektur integrieren (Abbildung 6). Kolloidale Metallteilchen z. B. können über eine Reduktion von Metallsalzen eingebaut werden. Als Reduktionsmittel werden unter anderem Alkohole, Ether und Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) verwendet. Ein anderer Weg sieht die Herstellung von Metallkolloiden durch Photolyse vor; eine solche kolloidhaltige Lösung lässt sich zu Fasern verspinnen, in denen die Metallkolloide fein verteilt sind. Ein großer Vorteil des Elektrospinnens ist die Möglichkeit, auch Wasser als Lösungsmittel verwenden zu können. So lassen sich wasserlösliche Polymere wie Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon und Polyethylenoxid, aber auch wasserlösliche biologische Systeme verarbeiten. Die Anzahl an Veröffentlichungen zum Elektrospinnen nimmt gegenwärtig sprunghaft zu und gleiches gilt für die vorgeschlagenen Anwendungen. In Europa gibt es bisher nur wenige Einrichtungen, die sich mit diesem Thema befassen, ganz im Gegensatz zu den USA. Co-Elektrospinnen von Kern-Schale [12] In jüngster Zeit ist es gelungen, das Elektrospinnverfahren so zu modifizieren, dass Kern-Mantel-Strukturen direkt beim Spinnen entstehen. Verwendet werden hierfür konzentrisch angeordnete Düsen, durch die unabhängig voneinander unterschiedliche Lösungen gepumpt werden (Abbildung 7a). Durch geschickte Wahl der Randbedingungen lassen sich die Materieströme laminar halten, so dass keine Durchmischung erfolgt (Abbildung 7b). Anwendungen von Nanofasern Eine der Hauptanwendungen liegt gegenwärtig im Bereich der Filterung. Zu diesem Zweck kombiniert man konventionelle Filtermatten mit Faserdurchmessern im Mikrome- 6 << Abb. 5 Oberflächenstrukturierte Polylactidfasern hergestellt durch die Ausnutzung von PhasenseparationsProzessen beim Elektrospinnen. Bemerkenswert ist die regelmäßige poröse Struktur. Die Poren besitzen einen ellipsoidalen Querschnitt, und sind in Richtung der Faserachse etwa 300 nm lang und senkrecht dazu 50 nm bis 150 nm breit. < Abb. 6 Elektrogesponnene Fasern mit eingelagerten Silbernanopartikeln. Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 www.chiuz.de © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 29 Abb. 7 a) Prinzip: Zwei verschiedene Materialien werden durch eine Anordnung zweier konzentrischer Kapillaren versponnen, b) KernMantel-Fasern hergestellt durch Co-Elektrospinnen. (Kern: Polydodecylthiophen, Mantel: Polyethylenoxid). Abb. 8 Ummantelte PolylaktidNanofasern mit Palladium/Rhodium-Nanopartikeln; der Einschub zeigt, dass die Partikel nicht aggregiert sind, b) Halterung der Nanofasern für die Reaktion, c) Reaktion, die mit den in a) und b) gezeigten Nanofasern durchgeführt wurde. ABB. 7 a) 30 | | kunststoff ist in für Katalysereaktionen relevanten Löterbereich mit Lagen aus Nanofasern. Erreicht wird dabei sungsmitteln unlöslich. eine wesentliche Steigerung der Effektivität und der EinIm medizinischen Bereich kristallisiert sich als Anwensatzdauer, ohne dass der Druckverlust beim Durchströmen dung das Tissue Engineering heraus, die Nachzüchtung des Filters wesentlich ansteigt. Die Poren des Filtermatevon durch Unfall oder Krankheit beschädigtem Gewebe, rials setzen sich nicht so schnell zu, durch eine Gegenz.B. Haut, Knorpel, Knochen, ja bis hin zu ganzen Organen. strömung wird eine sehr effektive Abreinigung des Filters Der Grundgedanke ist, durch ein bioabbaubares Templat erzielt. die erwünschte Form vorzugeben, Zellen auf dem Templat Ein weiteres Anwendungsgebiet betrifft die Katalyse anzusiedeln und dann ein Zellenwachstum zu stimulieren. und zwar sowohl die heterogene als auch die homogene. Fasern mit nanoskaligen Abmessungen scheinen die AnKatalytische Verfahren lassen sich durch gute Abtrennbarsiedlung und die Proliferation von Zellen zu begünstigen. keit des Katalysators vereinfachen. Generell sind heteroDie bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass die für eine gene Katalysatoren deutlich einfacher abzutrennen als hoZüchtung verwendeten mesenchymalen Stammzellen famogene, jedoch ist die Aktivität der homogenen in der Reserartige Substrate mit Faserdurchmessern von einigen 100 gel erheblich höher. Hier soll nur die heterogene Katalyse nm bevorzugen. Abbildung 9 zeigt als Beispiel das Wachsbetrachtet werden. Die für die geringere Effektivität meist tum von mesenchymalen Stammzellen auf einem Substrat verantwortliche kleinere Oberfläche heterogener Katalysamit dem Ziel des Züchtens von Knochen (vgl. auch S. 26). toren kann durch den Übergang in den Nanomaßstab stark Polylactid ist bioabbaubar und zersetzt sich im Verlauf des vergrößert werden. Als Trägermaterial muss zur optimalen Knochenaufbaus. Verteilung eine ebenfalls nanostrukturierte Umgebung geEine weitere Anwendung ist die Wundbehandlung, funden werden. Elektrogesponnene Nanofasern aus Polyda ein direkt auf die Wunde gesponnenes nanostrukturiermeren weisen hierfür herausragende Eigenschaften auf. tes Gewebe Bakterien ausschließt, Schorfbildung reduziert Durch Elektrospinnen können sehr lange, auch orientierte und gegebenenfalls Medikamente lokal kontrolliert abgeFasern gewonnen werden, in die schon beim Herstellungsben kann (Abbildung 10). Im Kosmetikbereich ist die Verprozess der Katalysator eingebracht wird. Die sehr große wendung von Nanofasergespinsten als Hautmaske zur loOberfläche im Verhältnis zum Volumen der Fasern und gekalen Wirkstoffapplikation angedacht. Viele weitere Anwenringe Diffusionswege bringen den Katalysator optimal mit den Edukten zusammen (Abbildung 8). Die große Vielfalt an verspinnbaABB. 8 U M M A N T E LT E P O LY L A K T I D - N A N O FA S E R N ren Polymeren bringt gute Möglichkeiten für die Anpassung an das jec) weils benötigte Katalysator-Lösungsmittelsystem mit sich. Durch Beschichtung der Fasern mit Filmen aus Polyparaxylylen im Nanometerbereich kann der Einsatzspielraum stark erweitert werden. Dieser Membran- | CO - E L E K T ROS PI N N E N b) © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim b) a) www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 P O LY M E R F A S E R N dungen in der Medizin werden gegenwärtig intensiv erforscht. Insbesondere in den USA steht die Entwicklung von Schutzkleidung gegen chemische und biologische Kampfmittel im Brennpunkt des Interesses: Nanofaser-Gewebe, ausgerüstet mit Enzymen oder allgemein mit Katalysatoren, die gefährliche Stoffe herausfiltern und unschädlich machen, werden intensiv untersucht. Nanoröhrchen aus Polymeren Die Herstellung wohldefinierter Nanoröhrchen mit spezifischen, unter Umständen komplexen Wandarchitekturen aus organischen Polymeren sowie anderen Funktionsmaterialien und Materialkombinationen ist nach wie vor eine wissenschaftliche Herausforderung. Im Folgenden werden zwei auf der Verwendung von Templaten basierende Verfahren vorgestellt, die sich in idealer Weise ergänzen. Mit ihnen gelingt es, die Durchmesser von Polymer-Nanoröhrchen innerhalb eines mehrere Größenordnungen umfassenden Bereichs frei wählen zu können. Komplex aufgebaute Röhrchenwände lassen sich realisieren, und die Röhrchen können in definierter Weise in Überstrukturen angeordnet werden. Sowohl Membranen aus parallel angeordneten Röhrchen mit definierten Achsenverhältnissen als auch großflächige und mechanisch stabile stoffartige Gewebe sind zugänglich. Das eine Verfahren, der TUFT-Prozess, beruht auf der Beschichtung von Templatfasern [9,14]. Das zweite Verfahren stützt sich auf die Benetzung von porösen Templaten [15-17]. In beiden Fällen kann das Templat nach der Röhrchenbildung selektiv entfernt werden. Das TUFT-Verfahren (Tubes by Fiber Templates): Röhrchen über Fasertemplate Abbaubare oder selektiv lösliche Polymerfasern mit Durchmessern von weniger als 10 nm bis zu einigen Mikrometern, die durch Elektrospinnen sehr kontrolliert herstellbar sind, können mit einer Vielzahl unterschiedlicher Wandmaterialien beschichtet werden. Diese wiederum | N A N OT EC H N O LO G I E bleiben nach dem Entfernen der Templatfasern erhalten und lassen sich weiter funktionalisieren. (Abbildung 11). Alle Schritte eignen sich im Prinzip für einen industriellen Prozess. Der erste Schritt des Verfahrens ist die Herstellung der Templatfasern, die die Form, den Querschnitt und die Oberflächenstruktur auf der Innenseite der späteren Röhre vorgeben. Dies geschieht vorzugsweise mittels Elektrospinnen. Im zweiten Schritt wird das Mantelmaterial des zu erzeugenden Röhrchens auf die Templatfasern aufgebracht. Hierzu eignen sich bekannte Verfahren wie Tauch-, Aufschleuder- und Sprühmethoden. Sehr vorteilhaft kann eine Beschichtung aus der Gasphase (Chemical Vapor Deposition) sein, weil sie im allgemeinen in sehr definierter Weise verläuft, die Oberflächentopologie der Templatfasern sehr genau reproduziert, und Verunreinigungen wie etwa Lösungsmittel vermieden werden. Die Beschichtung mit dem Polymeren Polyparaxylylen (PPX) beispielsweise geschieht über die Pyrolyse des Ausgangsstoffes [2,2]-Paracylophan, dem Transport des gebildeten flüchtigen Monomeren über die Gasphase und dessen Abscheidung auf der Faser unter sehr milden Bedingungen, gefolgt von einer spontan einsetzenden Polymerisation (Abbildung 12). Schließlich wird die Templatfaser selektiv entfernt. Dies geschieht durch Pyrolyse, wenn sich der Kunststoff, aus dem die Templatfaser besteht, bei hohen Temperaturen leicht in flüchtige Grundbausteine zersetzt. Tempern bei 250 oC führt beispielsweise zum vollständigen Abbau von Polylactid. Polyamide oder Polyethylenoxid lassen sich mit einem Lösungsmittel selektiv extrahieren. Ein biologischer Abbau kann ebenfalls zum Ziel führen. Abbildung 13 zeigt Polymerröhrchen, die mit dem TUFT-Verfahren hergestellt wurden. Die so erhaltenen Nanoröhrchen lassen sich weiter funktionalisieren. An der Innen- oder Außenwand können chemisch selektiv funktionelle Gruppen eingeführt werABB. 11 | Abb. 9 Mesenchymale Stammzellen wachsen auf Polylaktid-Nanofasern (ausgerüstet mit Calciumcarbonat), ein erster Schritt in Richtung auf das Züchten von Knochen [13]. T U F T-V E R FA H R E N << Abb. 10 Elektrospinnen von Nanofasern direkt auf den Körper mittels einer batteriebetriebenen Handapparatur. < Das TUFT-Verfahren, schematisch: Templatfasern werden beschichtet, die Templatfaser selektiv entfernt; links: Einfachbeschichtung, rechts: Mehrfachbeschichtung. Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 www.chiuz.de © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 31 ABB. 12 | somit praktisch beliebige Kompositstrukturen präparierbar sein sollten. B E S C H I C H T U N G D U RC H P Y RO LYS E Mesoporöse Template Prinzip der Beschichtung mit Polyparaxylylen (PPX) durch Pyrolyse des Ausgangstoffes [2,2]Paracylophan. Abb. 13 Feinstes Polymerröhrchen, hergestellt nach dem TUFTVerfahren. > Abb. 14 Nanoröhrchen aus Titandioxid (a,b) und Chrom (c). 32 | den. In die Wände lassen sich farbige Pigmente oder Nanopartikel einbauen, die die elektrische Leitfähigkeit oder die magnetischen Eigenschaften modifizieren. Wenn die Oberfläche der Röhrchen Noppen oder Poren aufweist, ermöglicht dies die Kontrolle des Benetzungsverhaltens oder des Materietransportes durch die Röhrchenwände. Auf den Templatfasern lassen sich neben Polymeren auch Metalle oder anorganische Gläser abscheiden (Abbildung 14). So wurden bereits Röhrchen aus Aluminium, Palladium, Platin, Titandioxid und Glas erzeugt. Die Dimensionierung und Strukturierung der Röhrchen wird durch die Templatfasern eingestellt. Durch sequentielle Beschichtung der Templatfasern, etwa durch sukzessive Bedampfungsschritte, lassen sich komplexere Multischichtröhrchen aus den unterschiedlichsten Materialkombinationen herstellen. Beispielsweise sind Hohlfasern mit einer inneren Metallwand und einer äußeren Polymerwand zugänglich [9]. Um Nanokabel zu erhalten, werden Polymere, die metallorganische Verbindungen wie Palladiumacetat enthalten, zu Nanofasern versponnen und beschichtet. Die Temperung bei höheren Temperaturen bewirkt in einem Schritt sowohl die Bildung von Metallnanopartikeln durch Zersetzung der metallorganischen Spezies als auch das selektive Entfernen der Templatfaser (Abbildung 15). Die TUFT- Methode ist noch sehr ausbaufähig, da im Prinzip alles auf allem abgeschieden werden kann und © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Der größte Vorteil des sehr flexibel einsetzbaren TUFT-Verfahrens ist die technologisch äußerst bedeutsame Möglichkeit, großflächige Nanoröhrchengewebe herzustellen. Trotzdem ist es nicht für alle Problemstellungen geeignet. Will man Nanoröhrchen als Bauteile mit spezifischen elektronischen und photonischen Eigenschaften in miniaturisierte Funktionseinheiten integrieren, müssen sie genau definierte Durchmesser und Längen besitzen. Für andere Anwendungen, etwa in den Bereichen Katalyse und Photovoltaik, wäre es vorteilhaft, sie genau parallel in den Poren einer sie fixierenden Membran auszurichten. Dies lässt sich mit einem von C.R. Martin eingeführten Verfahren erreichen: der Templat-Synthese [7]. Die Nanoröhrchen werden dabei in den Poren eines nanoporösen Materials synthetisiert. Die Poren wirken als Schablone und die Röhrchen sind deren Repliken. Diese Methode kann dazu verwendet werden, poröse Membranen zu funktionalisieren. Werden die Porenwände mit geeigneten Materialien beschichtet, können diese als Batterien oder chemisch hochspezifische Filter dienen. Die Templat-Methode besitzt den großen Vorteil, dass die Schablonen aus Materialien hergestellt werden können, die leicht nanostrukturierbar sind. Die Abmessungen der Poren können nahezu frei gewählt werden. Mesoporöse Strukturen mit Porendurchmessern zwischen zwei und 50 Nanometern sowie makroporöse Strukturen mit Porendurchmessern zwischen 50 Nanometern und wenigen Tausendstel Millimetern sind durch Selbstorganisationsprozesse zugänglich. Auch lithographische Methoden können zur Erzeugung der Poren mit Durchmessern herab bis zu wenigen 100 Nanometern eingesetzt werden, wobei diese Poren dann besonders regelmäßig angeordnet sind. Ein Beispiel hierfür ist die in Abbildung 16 abgebildete Struktur aus porösem Aluminiumoxid, die durch elektrochemisches Ätzen in ein mittels Nanoimprint-Lithographie vorstrukturiertes Aluminiumsubstrat erhalten wurde [18]. Das Templat kann auch selektiv entfernt werden, so dass die dann freien Nanoröhrchen in Pulverform vorliegen. www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 P O LY M E R F A S E R N Benetzung poröser Template [15-17] Eine wichtige Erweiterung des bis dato für die Präparation von Nanoröhrchen zur Verfügung stehenden Methodenspektrums ist die Kombination der Templat-Methode mit einem universellen physikalischen Phänomen: Benetzung. Bestehen die Wände der Templatporen aus einem Material, das eine hohe Oberflächenenergie aufweist, so benetzen alle Flüssigkeiten, die eine niedrigere Oberflächenenergie besitzen, die Porenwand vollständig (Abbildung 17). Im Falle niedrigviskoser Flüssigkeiten wie Wasser findet sehr schnell eine komplette Befüllung des Porenvolumens statt. Etwas anderes beobachtet man, wenn die Flüssigkeit Polymere enthält, wenn es sich bei ihr also um eine Polymerschmelze oder -lösung handelt. Dann bildet sich sehr schnell auf den Porenwänden zunächst ein wenige Nanometer bis wenige zehn Nanometer dünner Film, eine anschließende komplette schnelle Befüllung erfolgt nicht. Das Polymer wird nach der Benetzung der Porenwände zur Erstarrung gebracht, etwa indem man es abkühlt, oder indem man ein Lösungsmittel verdampfen lässt. Dabei verglast das Polymer, oder es wird durch Kristallisation fest. Das Ergebnis sind Polymer-Nanoröhrchen in den Poren der Templatstruktur. Der Grund für die schnelle Ausbildung des Filmes auf den Porenwänden sind die starken Adhäsionskräfte, die zwischen Flüssigkeit und Wand wirken. Diese werden sozusagen neutralisiert, und das Befüllen des restlichen Porenvolumens erfolgt aufgrund des Wachstums von Instabilitäten im Film wesentlich langsamer. Diese Methode ist so universell, dass sie sich auf alle Polymere anwenden lässt, die irgendwie, sei es durch Lösen oder Schmelzen, in Form einer Flüssigkeit verarbeitet werden können. Abbildung 18 zeigt beispielsweise rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Polystyrol-Nanoröhrchen. Erstmals konnten auch Nanoröhrchen aus Hochleistungspolymeren wie Polyetheretherketon, und vor allem Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon®) hergestellt werden, die sich durch eine herausragende chemische Resistenz und 15 Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 | N A N OT EC H N O LO G I E eine außergewöhnliche Hitzebeständigkeit auszeichnen. PTFE mit ultrahohem Molekulargewicht (106 –107 g/mol) besitzt eine so hohe Schmelzeviskosität, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Polymeren nicht viskos fließt. PTFE-Formteile werden daher produziert, indem man kleine PTFE-Kügelchen zusammensintern lässt. Presst man PTFE auf ein auf etwa 400° erhitztes Templat, kommen die PTFE-Ketten allerdings so nahe an dessen Oberfläche, dass die den Benetzungsprozess treibenden intermolekularen Kräfte zwischen Oberfläche und PTFE-Ketten wirksam werden, und die PTFE-Ketten sich in die Poren hinein bewegen. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Benetzung der Porenwand aufgrund von Oberflächendiffusion und nicht aufgrund eines viskosen Fließprozesses erfolgt. Viskoses Fließen kann jedoch den Transport der Polymermoleküle in die Nähe der Templatoberfläche begünstigen. Die Polymermoleküle kriechen zunächst wie Schnecken in die Poren. Dabei liegen sie meist flach auf der Porenwand. Da das flüssige Reservoir, aus dem sie stammen, in erster Näherung als unendlich, die zu benetzende Porenoberfläche als endlich betrachtet werden kann, finden Relaxationsprozesse statt. Die Moleküle nehmen dann eine entropisch und enthalpisch günstigere Konformation ein. Röntgenbeugungsuntersuchungen an in den Templaten orientierten Nanoröhrchen aus Polyvinylidenfluorid [17] ergaben, dass die Struktur der Röhrchenwände erheblich von den Herstellungsparametern abhängt: Benetzt man mit Schmelzen, sind die Wände in hohem Maße kristallin, benetzt man hingegen mit bestimmten Lösungen dieses Polymers, sind die Wände der erhaltenen Nanoröhrchen praktisch amorph. Nanoröhrchen mit komplexer Morphologie Die Templatbenetzung ermöglicht die Herstellung von Nanoröhrchen mit speziellen Eigenschaften oder einem komplexem Aufbau. Beispiele sind Röhrchen aus ferroelektrischen Oxiden wie Bleizirkonattitanat (PZT) (PbZr0.52 16 a) www.chiuz.de << Abb. 15 Nanokabel, aufgebaut aus einer Palladiumseele und PPX als isolierendem Mantel. < Abb. 16 Poröses Aluminiumoxid, das durch Nanoimprintlithographie hergestellt wurde. (a) Querschnitt, (b) Oberseite [18]. Abb. 17 Schematische Darstellung der Templatbenetzung. (a) Eine polymerhaltige Flüssigkeit steht in Kontakt mit einem Templat. (b) Ein dünner Film benetzt die Porenwände. Dieser Zustand wird eingefroren, bevor das Porenvolumen beginnt, sich komplett zu befüllen (c). 16 b) © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 33 Abb. 18 Nanoröhrchen aus Polystyrol, hergestellt durch die Benetzung des Templates und dessen anschließende selektive Entfernung. > Abb. 19 Poröse Palladiumröhrchen. könnte eine Feinstruktur in den Wänden, die den DiffusiTi0.48 O3) oder Bariumtitanat (BaTiO3), zugänglich durch onslängen der Exzitonen beziehungsweise der generierten Benetzen poröser Template mit Vorläuferpolymeren, die die Ladungen angepasst ist, die Effizienz dieser Bauteile entMetallkationen in stöchiometrischen Mengen enthalten scheidend steigern. Verwendet man für den Benetzungs[19]. Sie weisen piezoelektrisches Verhalten auf, d.h., sie änprozess Vorläuferverbindungen für Palladium und Platin sodern ihre Abmessungen in Abhängigkeit von einem angewie geeignete Polymere wie Polylactid, lassen sich durch legten äußeren elektrischen Feld. Derartige Röhrchen köneinfaches Erhitzen Nanoröhrchen aus diesen Metallen hernen in Form hochgeordneter Anordnungen (Arrays) mit eistellen, deren Wände eine spezifische Rauhigkeit oder Poroner Fläche im Quadratzentimeterbereich hergestellt wersität besitzen (Abbildung 19). Sie sind für Anwendungen in den. Die Verfügbarkeit von Arrays solcher Mikro- und Nader Katalyse oder für Brennstoffno-Stellglieder ist eine Voraussetzellen geeignet. zung für die Realisierung mikroERST KOMPLE XE NANOSTRUK TUREN Mit dieser Methode lassen sich und nanoelektromechanischer SysERMÖGLICHEN DAS SPEK TRUM natürlich auch die Porenwände teme, die in den nächsten JahrAN ANWENDUNGEN, DAS DER poröser Membranen mit diesen zehnten aller Voraussicht nach vieTECHNOLOGIE ZUGETRAUT WIRD. Metallen beschichten, so dass man le Technologien revolutionieren Hybridsysteme erhält, die Milliarwerden. den von Kavitäten oder Kapillaren Eine Variante der Benetzungsbesitzen, die als Mikroreaktoren methode verwendet polymerhaltidienen können. Für diese Lab-on-a-chip-Technologie könnge Mischungen, die auch erhebliche Anteile anorganischer ten sich völlig neue Möglichkeiten eröffnen. oder organometallischer Stoffe enthalten können. Dies könNanoröhrchen mit einer Kern-Schale-Morphologie lasnen mit dem Polymer mischbare oder mit diesem in einem sen sich durch sukzessive Benetzungsschritte herstellen, gemeinsamen Lösungsmittel lösbare Vorläuferverbindungen wenn wie im Falle der Palladium- und Platin-Röhrchen die für Metalle, Metalloxide oder Halbleiter sein. Das Polymere Wände der direkt nach dem Benetzen erhaltenen Kompodient entweder allein als Trägermaterial für den Benetsitröhrchen chemisch so umgewandelt werden, dass sie zungsprozess und wird danach selektiv entfernt, oder es wiederum aus einem Material mit hoher Oberflächenenerübernimmt in den so erhaltenen Kompositröhrchen eine gie bestehen. Die Dichte der schweren, zu Sedimentation bestimmte Funktion. Beim Abkühlen nach einer Benetzung und Agglomeration neigenden Metallröhrchen kann durch aus der Schmelze oder durch das Verdampfen des gemeineine leichtere Polymerfüllung verringert werden, so dass samen Lösungsmittels bei einer Benetzung mit einer Lödie erhaltenen Kompositröhrchen gut dispergierbar sind, sung kann eine Entmischung einsetzen. Einige Bereiche der etwa in Reaktionsmischungen, in denen sie als fein verRöhrchenwand bestehen dann nur aus dem Polymer, anteilte heterogene Katalysatoren fungieren sollen. Ein Polydere nur aus der Vorläuferverbindung. Tempert man die styrolkern wird z.B. von einer Palladiumhülle ummantelt. Kompositröhrchen bei Temperaturen, bei denen die Auch andere Mehrschichtsysteme sind so zugänglich. Röhrchenwand flüssig ist, findet eine Ostwald-Reifung statt. Eine weitere Modifikation der Benetzungsmethode erDie ursprünglich große innere Grenzfläche zwischen den laubt es, leuchtende Nanokristallite, Halbleiter-QuantenBereichen unterschiedlicher stofflicher Zusammensetzung punkte, in die Wände der Nanoröhrchen zu integrieren. wird dadurch kleiner, und die Struktur raut auf. Dieser Dazu wird eine Suspension der Quantenpunkte mit einer Prozess wird durch die begrenzende Geometrie der RöhrPolymerlösung gemischt und auf ein poröses Templat chenwände und durch die Grenzflächenenergien an der getropft. Das Resultat sind leuchtende Nanoröhrchen [20]. inneren und äußeren Mantelfläche erheblich beeinflusst. So könnten Lichtemitter kontrolliert in hochgeordnete PoDa man die Reifung jederzeit durch Abkühlen einfrieren renstrukturen, die zweidimensionale photonische Kristalle kann, ist die Wandstruktur gezielt einstellbar. sind, eingebracht und neuartige nanophotonische HybridFür viele Anwendungen könnte diese Möglichkeit ermaterialien hergestellt werden. hebliche Bedeutung bekommen: Möchte man die Röhrchen etwa in Leuchtdioden oder Photovoltaik-Zellen einsetzen, Schlagworte Nanofasern, Nanoröhrchen, Polymere, Elektrospinnen, Templatverfahren Zusammenfassung Als Querschnittstechnologie befruchtet die Nanotechnologie ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern, das sich von der Optoelektronik über die Umwelttechnik, die Chemietechnik, die Sensorik, die Biotechnologie bis zur Medizin und Pharmazie hinzieht. Nanoröhrchen und Nanofasern stellen in diesen Bereichen eine vielseitige Plattform dar. Zu ihrer Her34 | © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 P O LY M E R F A S E R N stellung und weiteren Funktionalisierung wurden eine Reihe von speziellen Verfahren wie das Elektrospinnen und das Templatverfahren auf der Basis von Nanofasern und mesoporösen Materialien entwickelt. Sie erlauben die Präparation der Nanoobjekte aus Polymeren, Metallen, Keramiken, Gläsern und Materialkombinationen. Die Integration solcher Objekte in größere Bauteile ist die nächste Herausforderung. | N A N OT EC H N O LO G I E Die Autoren Roland Dersch studierte Chemie in Marburg und Edinburgh und beendete 2001 seine Diplomarbeit über die Herstellung komplex strukturierter Fasern durch Elektrospinnen. Seit 2001 promoviert er bei Prof. Wendorff am Fachbereich Chemie der PhilippsUniversität Marburg mit einer Arbeit über Strukturen und Eigenschaften von Nanofasern aus Polymeren. Summary The nanotechnology, a cross-sectional technology par excellence, stimulates a broad spectrum of fields of applications extending from optoelectronics, sensorics, ecology, chemistry and biotechnology to medicine and pharmacy. Nanofibers and nanotubes are a highly versatile platform for such applications. To produce these nanoobjects a set of novel preparation techniques such as electrospinning and specific template approaches based on nanofibers and mesoporous substrates has been developed. Nanofibers and nanotubes consisting of polymers, metals, ceramics, glasses or combinations of such materials have thus become accessible. The integration of such nanoobjects in larger devices is the next challenge Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] M. Crichton, „Prey“, Harper Collins Publ. Inc. New York 2002. H.F. Krug, Nachrichten aus der Chemie 2003, 51, 1241. Spektrum der Wissenschaft, „Nanotechnologie“, 2001,2. E. 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Greiner, Macromolecules 2002, 35, 2429. M. Steinhart, J.H. Wendorff, A. Greiner, R.B. Wehrspohn, K. Nielsch, J. Schilling, U.Gösele, Science 2002,296, 1997. M. Steinhart, J. H. Wendorff, R. B. Wehrspohn, ChemPhysChem 2003, 4, 1171. M. Steinhart, S. Senz, R.B.Wehrspohn, U. Gösele, J.H. Wendorff, Macromolecules 2003, 36, 3646. Y. Luo, I. Szafraniak, N. D. Zakharov, V. Nagarjan, M. Steinhart, R. B. Wehrspohn, J. H. Wendorff, R. Ramesh, A. Alexe, Appl. Phys. Lett. 2003, 83, 440. J. Choi, K. Nielsch, M. Reiche, R. B. Wehrspohn, and U. Gösele, J. Vac. Sci. Techn. 2003, B 21, 763. S. Richter, M. Steinhart, N. Gaponik, A. Eychmüller, H. Hofmeister, R.B. Wehrspohn, J.H. Wendorff, A. Rogach, M. Zacharias, Chem. Mater., eingereicht. Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 26 – 35 www.chiuz.de Andreas Greiner studierte Chemie in Marburg und promovierte dort 1988. Nach einem einjährigem Postdoc bei D. Pearson und H.-W. Schmidt in Santa Barbara, Kalifornien, erfolgte 1995 die Habilitation in Makromolekularer Chemie an der Universität Marburg. 1999 folgte er einem Ruf auf eine C3-Professur für Makromolekulare und Organische Chemie an die Universität Mainz. 2000 nahm er einen Ruf der Universität Marburg an. A. Greiner leitet seit 1999 gemeinsam mit W. Heitz und J. H. Wendorff das TransMIT-Zentrum für Kunststoff-Forschung und Nanotechnologie an der Universität Marburg. Seine Forschungsinteressen: klassische Monomer- und Polymersynthese, Synthese von Funktionspolymeren, Nanowissenschaften und Nanotechnologie, Anwendung von Polymeren in Optik, Elektronik, Medizin etc. Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Nanotechnologie erhielt er 2000 den Arthur K. Doolittle Preis der American Chemical Society und war 2002 Steinhofer Lecturer der Universität Freiburg. Martin Steinhart studierte Chemie in Hamburg und Marburg und fertigte seine Diplomarbeit in der Arbeitsgruppe von J. H. Wendorff an der Universität Marburg an. Im Verlauf der Doktorarbeit entwickelte er ein Verfahren zur Herstellung von Nanoröhrchen durch Benetzung poröser Template. Seit 2003 ist er Gruppenleiter in der Abteilung Gösele am MaxPlanck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle. Seine Forschungsinteressen: komplexe eindimensionale Nanostrukturen und hierarchische Nanosysteme. Joachim H. Wendorff studierte Physik an der Universität Marburg und ging nach der Promotion als Postdoc zu Prof. F. P. Price an die University of Massachusetts, Amherst. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz war er zwischen 1976 und 1991 Leiter der Abteilung Physik am Deutschen Kunststoff-Institut Darmstadt. J. H. Wendorff habilitierte 1982 bei Prof. E. W. Fischer in Mainz. Er ist seit 1991 Inhaber eines Lehrstuhls für Physikalische Chemie an der PhilippsUniversität Marburg. 2000/2001 war er European Visiting Professor am Key Centre for Polymer Colloids an der University of Sydney, Australien. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. J. H. Wendorff, Fachbereich Chemie Hans-Meerwein-Straße Philipps-Universität D-35032 Marburg © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 35