Sozialversicherungspflicht von Selbständigen

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Sozialversicherungspflicht von Selbständigen
Sozialversicherungspflicht von Selbständigen
Selbständig Tätige sind grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig. Etwas anderes kann allerdings
für die Rentenversicherung gelten. Nach § 2 SGB VI sind einzelne Gruppen von Selbständigen in der
Rentenversicherung pflichtversichert.
Die wesentlichen beiden Gruppen sind die Lehrer (§ 2 Nr. 1 SGB VI), die Erzieher (§ 2 Nr. 1 SGB VI)
und die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen (§ 2 Nr. 9 SGB VI). Dies gilt jedoch nur, sofern sie
• selbständig sind und
• im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftigen.
Lehrer
Bei der Berufsgruppe der Lehrer ist zu beachten, dass der Begriff des Lehrers außerordentlich weit
gefasst ist. Hierunter fallen nicht nur die klassischen Lehrer, sondern auch z.B. Fahrlehrer, Trainer,
Hilfen in Fitnessstudios, Fitnesslehrer, Tanzlehrer, Nachhilfelehrer, Referenten für Steuerberater- und
Anwaltskammern usw. Es ist also wegen der aufgrund der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen
angeordneten Versicherungspflicht nach Auffassung des BSG weder von Bedeutung, ob eine besondere
pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, noch ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen
geregeltes Berufsbild gibt. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines
eigenen Betriebes ausgeübt wird oder welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit hat und ob sich der
Unterricht nur an Laien wendet.
Beschäftigt jedoch ein solcher selbständiger Lehrer einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer,
scheidet er aus der Rentenversicherungspflicht aus.
Für selbständige Erzieher gilt nach der Rechtsprechung nichts anderes.
Arbeitnehmerähnliche Personen
Nach § 2 Nr. 9 SGB VI unterliegen seit 01.01.1999 auch alle übrigen Selbständigen der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die
• im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus dieser
Beschäftigung regelmäßig 400 € im Monat übersteigt und
• auf Dauer und Wesentlichen nur für einen Auftraggeber arbeiten.
Anders als bei den übrigen Gruppen hängt die Versicherungspflicht in Nr. 9 nicht von einem ausgeübten
Beruf ab und kann daher grundsätzlich jede Art selbständiger Tätigkeit betreffen. Voraussetzung ist
jedoch, dass der Betreffende auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist.
Folgendes ist zu beachten:
Sollte nur ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt werden, unterliegen die mitarbeitenden
Gesellschafter (z.B. bei einer GmbH, OHG o.a.) gleichwohl der Rentenversicherungspflicht, solange rein
rechnerisch nicht jedem Gesellschafter ein Arbeitsentgeltanteil des von der Gesellschaft beschäftigten
Arbeitnehmers von mehr als 400 € zugeordnet werden kann.
Auch geringfügig Beschäftigte, die auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben, zählen nicht zu dem
Personenkreis, durch deren Beschäftigung die Rentenversicherungspflicht des Gesellschafters
ausgeschlossen ist.
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Die Selbständigen mit nur einem Auftraggeber tragen den Beitrag – orientiert an der Bezugsgröße –
allein.
Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger können auch Freiberufler (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte,
Ingenieure, Architekten usw.) der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI unterliegen, wenn sie
keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, als ein Ein-Personen-Unternehmen im
wesentlichen nur für einen Auftraggeber arbeiten und damit von ihm wirtschaftlich abhängig sind.
Immer dann ist die Rentenversicherungspflicht des Gesellschafters bzw. Selbständigen ausgeschlossen,
wenn ein Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IV besteht, unabhängig davon, ob
ggf. in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung für diese Beschäftigung Versicherungsfreiheit besteht.
Gleiches gilt, wenn der versicherungspflichtige Arbeitnehmer nach Wegfall der Entgeltfortzahlung
weiterhin arbeitsunfähig ist, seinen Wehr- oder Zivildienst leistet oder die gesetzliche Elternzeit in
Anspruch nimmt. Allerdings ist Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis weiter fortbesteht.
Zu beachten ist auch, dass freie Mitarbeiter keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer sind. Auch
müssen die Arbeitnehmer in unmittelbarem Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit beschäftigt
werden, so dass eine Beschäftigung im privaten Bereich des Selbständigen – welche keinerlei Beziehung
zur selbständigen Tätigkeit hat – ausscheidet.
Eine regelmäßige Beschäftigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer unbefristet beschäftigt ist oder
befristete Beschäftigungsverhältnisse kontinuierlich folgen. Daher sind Unterbrechungen von bis zu zwei
Monaten innerhalb eines Jahres unschädlich.
Ein Arbeitnehmer, welcher kraft Gesetzes versicherungsfrei (§§ 5 Abs. 4, 230 SGB VI) oder von der
Versicherungspflicht befreit ist (§§ 6, 231, 231a SGB VI), steht einem versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer gleich, sofern das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 400 € übersteigt.
Von einer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im
Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses
für denselben Auftraggeber erfolgt. Entsprechend ist eine lediglich vorübergehende Tätigkeit für einen
Auftraggeber (projektbezogen) grundsätzlich keine Dauerbeschäftigung, sofern die Begrenzung innerhalb
eines Jahres liegt. Von einer dauerhaften Tätigkeit für nur einen Auftraggeber ist auch dann nicht
auszugehen, wenn die erwerbsmäßig tätige Person innerhalb eines Jahreszeitraums nacheinander für
unterschiedliche Auftraggeber tätig ist.
Es kommt hier auf den tatsächlichen Vollzug an, d.h. die bloße Berechtigung, auch für andere
Auftraggeber zu arbeiten, reicht nicht aus. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob dem Auftraggeber
nach der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses und den tatsächlichen Gegebenheiten eine Tätigkeit
innerhalb der zu prüfenden Beschäftigung/Tätigkeit im nennenswertem Umfang überhaupt möglich ist.
Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn die Arbeitszeit vollständig durch den Auftraggeber/Arbeitgeber in
Anspruch genommen wird. Die Voraussetzung „regelmäßig und im wesentlichen“ wird von den
Spitzenverbänden der Krankenkassen, des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger und der
Bundesanstalt für Arbeit bejaht, wenn der Auftraggeber/Arbeitnehmer mindestens 5/6 seiner gesamten
Einkünfte allein aus einer Tätigkeit erzielt.
Die Träger der Rentenversicherung stellen in ihrer Durchführungsanordnung (DA 12.3.4) folgende
Indizien dafür auf, wann die selbständige Person auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen
Auftraggeber tätig ist:
• regelmäßige Auftragsvergabe bzw. Dauerauftrag,
• Vertragsgestaltung (z.B. Verpflichtung zur ausschließlichen Tätigkeit),
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• Höhe der Betriebseinnahmen aus der Auftragstätigkeit,
• Angaben des Auftraggebers oder der erwerbsmäßig tätigen Person,
• Art der Waren bzw. der Dienstleistung dient ausschließlich den Bedürfnissen
des Auftraggebers,
• äußeres Auftreten (z.B. Dienstkleidung, Firmenwagen, Firmenlogo),
• Regelung des Vergütungsanspruchs.
Bei der Feststellung der Einkünfte ist nicht auf die Umsätze bzw. Bruttoeinkünfte abzustellen, sondern
auf die nach Abzug aller Kosten – aber vor Steuern – verbleibenden Nettoeinkünfte. Die Träger der
Rentenversicherung stellen demgegenüber aber nach ihrer Dienstanweisung auf die Bruttoeinkünfte ab.
Beurteilungszeitraum ist das Kalenderjahr.
Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1a SGB VI
Für Personen nach § 2 Nr. 9 SGB VI enthält diese Vorschrift zwei Befreiungsmöglichkeiten.
Bei Existenzgründern ist eine Befreiung für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger
Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale der Nr. 9 erfüllt, möglich. Zudem ist eine
Befreiung auch möglich bei Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale der Nr. 9
erfüllt. Eine solche zweite Existenzgründung nach Satz 3 liegt aber nicht vor, wenn eine bestehende
selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen
nicht wesentlich verändert worden ist.
Personen, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres nach einer zuvor ausgeübten selbständigen
Tätigkeit erstmals nach § 2 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden, können unbefristet von der
Versicherungspflicht befreit werden.
Die Befreiung wirkt vom Eingang des Antrags an. Wird dieser aber innerhalb von drei Monaten nach
Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt, wirkt die Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht vom Beginn des Zeitpunkts an, von dem an die Voraussetzungen vorliegen.
Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI
Selbständige könne sich auch gemäß § 231 Abs. 5 SGB VI auf Antrag von der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Dies ist jedoch nur möglich, sofern der Antragsteller
vor dem 01.01.1999 selbständig, aber nicht versicherungspflichtig war. Daher gilt die Vorschrift nicht für
diejenigen, die am 31.12.1998 als Selbständige bereits versicherungspflichtig waren und nicht durch die
Neuregelung des § 2 Nr. 9 SGB VI ab 01.01.1999 versicherungspflichtig geworden sind. Diese
Selbständigen können sich nicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI befreien lassen. Dies gilt im Übrigen auch für
Selbständige, die erst nach dem 01.01.1999 eine selbständige Tätigkeit nach § 2 Nr. 9 SGB VI
aufgenommen haben.
Befreiung nach § 229 Abs. 6 SGB VI
Diese Vorschrift stellt keine Befreiungsmöglichkeit für Selbständige nach Nr. 9 dar, kann ihnen aber
helfen, die Voraussetzungen für den Nichteintritt der Versicherungspflicht nach Nr. 9 zu erfüllen. Diese
Vorschrift betrifft Personen, die am 31.03.2003 in einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit ohne
einen Verzicht auf die Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI versicherungspflichtig
waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung in der ab 01.04.2003 geltenden Fassung des
§ 8 SGB IV bzw. § 8a SGB IV erfüllen. Die Personen bleiben in dieser Beschäftigung
versicherungspflichtig und werden lediglich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit.
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