1 Andreas Kröper-Hoffmann Bemerkungen zu

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1 Andreas Kröper-Hoffmann Bemerkungen zu
Andreas Kröper-Hoffmann
Bemerkungen zu J.J.Rybas Pilsener Stabat mater
Do známostí v městě Plzni jsem přišel skrze svého přítele, p. Františka Křepelku, tehdáž
prvního učitele v hlavní škole, jenž i vedl spolu úřad řiditele kůru v témž městě. Od něho jsem
se dozvěděl, že by z mých muzičních chrámních spisů mnozí v tomto místě pochvaly
dosahovali, a tak mne pokynul, abych pro Plzeň nějaké Oratorium sepsal.1
schildert Ryba seine Kontakte zur Stadt Pilsen. Auch überliefert er an anderer Stelle einen
Brief des erwähnten Křepelka vom 17. November 1800:
Mit sehr vielen Beifall führte ich am 17. d. die Messe in C von Ihnen auf,... so auch das
Offertorium C, welches Sie für den H. Naxara nach Přessticz setzten, weil sie mir sehr gefällt.
Ihre Sachen werden alle sauber kopirt, und am pilsner Chore zu Ihrem ewigen Ruhme
glänzen, weil mir aufgetragen wurde, Ihre Sachen an das Chor zu verkaufen; alßo dort einst
ewige Belohnung, und hier fortdauernder Ruhm! – Benetzt da keine Thräne ihre Wangen? –
o, mir rollen mehrer darüber!2
Spätesten seit 1800, vielleicht aber auch schon früher, wurden Rybas Werke in Pilsen
aufgeführt. So nimmt es kein Wunder, dass ihn Anfang 1805 eine Auftragskomposition der
St.Bartholomäus-Kirche erwartete. Angesichts der bevorstehenden Passionszeit bot sich eine
Passion oder ein Stabat mater an. Er entschied sich für zweites.
Der Text des Stabat mater wurde im 13. Jahrhundert von einem bis heute nicht identifizierten
Autor verfasst und diente ursprünglich als ein aus zehn jeweils sprachlich gleich gebauten
Strophen bestehendes Reimgebet. Erst 1727 war das Stabat mater von der katholischen Kirche
als Sequenz zum damals neu eingeführten "Fest der Sieben Schmerzen Mariens" am 15.
September konstituiert worden. Textlich deutet der Text jene Stelle aus, die bei Johannes 25
beschrieben wird: 25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter
Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Die moderne
Ausdrucksstärke lag im Moment der Teilnahme Marias an den Leiden ihres Sohnes. Diese
Intensität des Mit-Leidens wurde in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts zu einem beliebten
Motiv der sog. Empfindsamkeit. Vor allem Giovanni Battista Pergolesis Stabat-materVertonung wurde zu einer Hymne der sog. Empfindsamen.3
Am 28. Mai 1805 wurden Jakub Jan Ryba die Pilsener Bürgerrechte verliehen, die Stadt
Pilsen konnte sich mit dem Namen eines Komponisten schmücken, der weit über die
Landesgrenzen Bekanntheit errungen hatte. Seit dieser Zeit fühlte sich Ryba Pilsen besonders
verbunden und widmete der Stadt weit über hundert Werke, ein Verhältnis, dasnoch immer
genauerer Auswertung harrt. In seiner in Reimform gehaltenen Autobiographie4 schreibt
Ryba:
1
[Durch meinen Freund František Krzepelka, seinerzeit erster Lehreran der Haupt-Schule, der auch das Amt des
regenschori in ebender Stadt mitverwaltete, wurde ich in der Stadt Pilsen bekannt. Von diesem erfuhr ich, das
viele meiner Kirchensachen an diesem Ort zum Lob gereichten und deutete er mir an, für Pilsen ein Oratorium
zu schreiben.] Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho života
od něho samého sepsaný, in:František Augustín Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888, S. 70.
2
Jakob Johan Ryba´s musicalischer Lebenslauf, Faksimile in: Jakub Jan Ryba, Muj život a hudba, Rožmitál po
Třemšínem 2005, S. 42a (S. 42 befindet sich eine Transkription, die fehlerhaft ist).
3
Andreas Hoffmann, "freye Ausbrüche der musikalischen Dichterwut" Empfindsamkeit in der Musik, Glinde
2004.
4
Ryba verfasste in den Jahren 1799-1801, dann 1806 sowie 1811-1815 und 1813 vier Autobiographien.
Während die erste, auf deutsch verfasste, einem engen Kreis von Freunden bestimmt war, später aber von
1
Věz, že i já, jako jini
Učitelové vždy pilní
Pochvalu a darování
Za svá školní snažování
Dostal. Pak mne věrná Plzen –
(Prosím at ti nejsem mrzen!)
Za měšťana svého vzala,
K tomu hojny dárek dala,
Které jsem já melodoval
Stabat, Sacrum dedikoval.
Slavné město, budiž tobě
České Vivat v každé době!5
Die modernen musikwissenschaftlichen Lexika (New Grove, MGG) zählen drei Stabat materKompositionen Rybas auf. Jedoch zeigt die Logik, dass er mindestens vier Stabat mater
komponierte, denn in seinem Werkverzeichnis von 1801 nennt er drei, ein viertes kam 1805
dazu, welches wohl das sagenumwobenste ist, da Ryba angeblich hierfür zum Pilsener Bürger
ernannt wurde. Dne 28. května r. 1805 obdržel od města Plzně čestné občanství. Byla to
odměna za velké latinské oratorium Stabat mater pro tamní kůr kostela sv. Bartolomeje6
schreibt Němeček7 in seiner Ryba-Biographie. Und die Internet-Ausgabe des Tschechischen
Musiklexikons der Personen und Institutionen (www.ceskyhudebnislovnik.cz) wiederholt
unter dem Stickwort „Plzeň“: R. 1805 byl jmenován čestným měšťanem Plzně rožmitálský
kantor a přítel regenschoriho F. Křepelky, J. J. Ryba, jenž věnoval Plzni své Stabat mater.8
Lesen wir die Primarquellen, stellt sich der Sachverhalt anders dar:
Roku 1805. dělal jsem na žádost pana Františka Křepelky, prvního učitele c.k. Plzeňske
hlavní školy spolu řiditele Plzeňského kůru, Stabat mater, které jsem panu Matasovi, radnímu
pánu, spolu dohližiteli Plzeňského kůru, dedikoval [und nicht der Stadt! Anmerkung des
Verfassers]; vdečně přijato bylo. Též jsem pro toto starobylé a vždy v království Českém
vyznamenající se ve veřejnosti a lidumilství město slavnou mši v muziku spolu s offertorium
komponoval, a pak tyto muzičně práce slavnému magistratu dotečného města dedikoval, zač
Dlabacz für dessen Künstlerlexikon (siehe Bemerkung 13) verwendet wurde, entstand die zweite als Gedicht für
František Jan Vavák, die dritte und vierte verfasste Ryba auf tschechisch. Die zweite und dritte wurden von
František Augustín Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888 widergegeben, das Autograph gilt
als verloren. Die Literatur datiert die dritte Autobiographie mit 1811, obwohl Ryba bis ins Jahr 1815
Nachrichten liefert.
5
Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho života od něho
samého sepsaný, in Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho
života od něho samého sepsaný, in: František Augustin Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888,
S. 69., [Glaub, dass ich, wie andere stets fleissige Lehrer, für meine schulischen Bemühungen Lob und Gaben
erhielt. Dann nahm mich die treue Stadt Pilsen (Sei ich Dir bitte nicht verdiesslich] als ihren Bürger auf, dazu
gab sie ein reiches Geschenk und ich modulierte für sie und schenkte ihr ein Stabat, ein Sacrum. Berühmte Stadt,
Dir gelte zu jeder Zeit ein tschechisches Vivat!]
6
Jan Němeček, Jakub Jan Ryba, Život a dílo, Praha 1963 [Am 28. Mai 1805 erhielt (Ryba) seitens der Stadt
Pilsen eine Ehrenbürgerschaft. Dies war eine Belohnung für sein grosses, in lateinischer Sprache gehaltenes
Oratorium Stabat mater für den dortigen Chor der St. Bartholomäus-Kirche.]
7
ibid, S. 25.
8
[Im Jahre 1805 wurde der Rožmitáler Kantor J.J.Ryba, Freund des regenschori František Křepelka, der der
Stadt Pilsen sein Stabat mater widmete, zum Pilsener Ehrenbürger ernannt.]
2
[sic!] jsem takového odměnění dosáhl, že jsem byl právem Plzeňského měštana poctěn a mimo
to i na remuneraci 100fl. k dalšímu pokračování vzbuzen.9
schreibt Ryba in seiner zweiten, 1811 verfassten Autobiographie. Wie Ryba weiter berichtet,
komponierte er das Werk in sechs Wochen.10 Dank dieser Angabe kann ein recht genauer
Zeitplan rekonstruiert werden, wobei nicht nur die Tatsache hilft, dass ein Stabat mater
lediglich an zwei Tagen aufgeführt werden konnte: am Karsamstag oder am 15. September.
Da in der Karwoche keine Orgel ertönen durfte, wurde für die Generalbass-Begleitung ein
Cembalo eingesetzt. Dies erklärt, warum die Generalbass-Stimme die Überschrift
Clavi=Cembalo aut Organo e Viol: trägt.11
Lesen wir Rybas Darstellung so ergibt sich folgendes Harmonogramm:
1) Křepelka erbat oder bestellte spätestens Mitte Januar 1805 bei Ryba ein Stabat mater.
2) Ryba komponierte das Werk im Verlauf von sechs Wochen. Eine Einstudierung vor
Beginn der Karwoche vorausgesetzt, musste die Partitur spätestens Anfang März in
Pilsen eingetroffen sein, da noch Stimmen erstellt und revidiert werden mussten.
3) am Karsamstag, dem 13.April 1805 kommt es höchstwahrscheinlich zur Aufführung.12
4) Das Werk fand positive Aufnahme. Křepelka wird dies Ryba sofort schriftlich
mitgeteilt haben..
5) Daraufhin komponiert Ryba eine Messe sowie ein Offertorium und widmet beide
Werke dem Magistrat der Stadt. Dies wird innerhalb zweier Wochen,also bis Anfang
Mai geschehen sein. Ryba sendet die Werke nach Pilsen.
6) Für diese beiden Kompositionen (und keinesfalls für das Stabat mater) erhält Ryba am
28. Mai 1805 die Bürgerrechte der Stadt Pilsen.
Diese Sichtweise entspricht genau dem, was Dlabač 13 in seinem Künstlerlexikon14 in Spalte
616 berichtet:
Selbst die k. Kreisstadt Pilsen schätzte eine von ihm verfaßte, und ihr verehrte solenne Messe
so hoch, daß sie ihn, nebst einem Geschenke von 100 fl. noch mit dem Bürgerrechte beehrte.
Da das Offertorium als Zwischenmusik zur Messe gesehen werden konnte, stimmt Dlabaczs
Angabe.
9
Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho života od něho
samého sepsaný, in: František Augustin Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888, S. 70. [1805
machte ich auf Antrag Herrn Franz Krzepelkas, dem ersten Lehrer der kaiserlich-königlichen Pilsener HauptSchule und Mit-Regenschori des Pilsener Chores, ein Stabat mater, das ich Herrn Matas, einem Ratsherren und
Mit-Inspektor des Pilsener Chores, widmete; es wurde dankbar angenommen. Ebenso habe ich für diese
altehrwürdige und sich immer im Böhmischen Königreich in der Öffentlichkeit und Menschenliebe
auszeichnende Stadt eine feierliche Messe nebst einem Offertorium in Musik gesetzt, und dann diese
musikalischen Arbeiten dem ehrwürdigen Magistrat der betreffenden Stadt gewidmet, worauf ich eine solche
Belohnung erzielte, dass ich mit dem Recht eines Pilsener Bürgers geehrt wurde und ausserdem mit einer
Renumeration von 100 Gulden zu weiterer Fortsetzung angeregt wurde.]
10
ibid
11
Bereits in seiner zweiten Stabat mater-Vertonung schrieb Ryba (im Gegensatz zur ersten von 1790) ein
Cembalo vor. Dies deutet darauf hin, dass das erste Stabat mater für den 15.9., die beiden übrigen für den
Karsamstag geschrieben wurden.
12
Dass Ryba anwesend war, kann man ausschliessen, zu gross waren seine Verpflichtungen an Schule und
Kirche in Rožmitál. Gerade das Frühjahr 1805 fällt in Rybas Schultagebüchern karg aus.
13
Gottried Johann Dlabacz, Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theil auch für
Mähren und Schlesien, 3 Bde., Prag 1815.
3
Bestätigt wird diese Angabe auch durch den Eintrag in dem Gedenkbuch der königlichen
Kreisstadt Pilsen15: Roku 1805 obdržel rožmitálský učitel Jakub Ryba za velikou mši, již pro
kostel sv. Bartoloměje zvláště komponoval, 100 zlatych od městské rady zdejší.
Am 30.7.1805 wurden Ryba 100 Gulden übersandt, wie er in einer Bemerkung zu seiner
Autobiographie in Reimen bemerkt.16.
Vergleichen wir die Bemerkung Dalbaczs und die der Stadtchronik fallen bedeutende
Unterschiede auf: während Dlabacz von einer solenne Messe spricht, wird das Werk in der
Chronik als velkou mši bezeichnet. Hatte man in Pilsen aus einer Missa solemnis und dem
Offertorium eine Grosse Messe gemacht? Ryba selbst spricht lediglich von einer slavnou mši,
was ich als Hinweis auf eine festliche Besetzung (mit Bläserchor) deute.
Um bei welcher der erhaltenen Messen Rybas es sich bei der dem Magistrat gewidmete
handelt, ist Ziel eines weiteren Forschungsansatzes, der hier zu weit führen würde.
Zusammenfassend kann ich nur ankündigen, diese Messe gefunden zu haben, obwohl die
Ryba-Forschung dieser Frage seltsamer Weise gar nicht nachgegangen ist.
Bei dem Offertorium handelt es sich um das Offertorium ad Festum S.Bartholomaei.
Offerorium solemne pro Choro Plsenensis Anno 1805 Authore Ryba.17
Ebenso richteten sich die/das Moctetum Festo S.Bartholomaei accomodatum18 (1812) und das
Gradulae in C pro Festo S.Bartholomaei19 (1813) an die Pilsener Bartholomäus-Kirche, das
heisst, am 24. August 1812 und 1813, dem Tag des Patrons der Kirche, erklangen Werke
Rybas in St.Bartholomäus
Cursus Sacro-harmonicus
Besonders wichtig ist, dass Ryba sein auf die der Stadt gewidmeten Werke folgendes, in
seinem Schaffen wohl ehrgeizigstes Projekt in den Dienst Pilsens stellte, nämlich den Plan,
für jeden Kirchensonntag eines ganzen Jahres je eine Messe, ein Graduale sowie ein
Offertorium zu schreiben. Für 52 Kirchensonntage plante Ryba demnach 156 muzyčních
chrámních zpěvů20. Unter dem Titel Cursus Sacro-Harmonicus plante er 9-10 Bände, die er
Pilsen widmete, wovon er die ersten fünf auch nach Pilsen schickte.
Též roku 1808 podal jsem prvni svazek svého muzičného vyhotovení pod titulem: Cursus
Sacro-harmonicus, jenž obsahuje 16 krátkých mši od 1. neděle adventní až do quadragesima,
slavnému magistrátu král. města Plzně.21
Über dieses ehrgeizige Unternehmen hinaus widmete Ryba 1808 der Stadt Pilsen 24
Vesperae omnibus per annum festis adaptatae22 sowie 1812 19 Responsoria pro feria V,VI et
Sabbato Sancto23
15
Jan Hruška, Knize pamětní královského krajského města Plzně, Plzeň 1883
Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho života od něho
samého sepsaný, in: František Augustin Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888, S. 69,
Bemerkungen
17
ibid, S.285, Katalog, Nummer 149. Muzeum české hudby (Museum der tschechischen Musik) Sig: IIID103.
18
ibid, S.285, Katalog, Nummer 153. Muzeum české hudby (Museum der tschechischen Musik) Sig: IIID92.
19
ibid, S.286, Katalog, Nummer 154. Muzeum české hudby (Museum der tschechischen Musik) Sig: IIID99.
20
Denník Jakuba Jana Ryby, učitele Rožmitalského a měšťana Plzeňského neb vypsání jeho života od něho
samého sepsaný, in: František Augustín Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888, S.74 [156
kirchenmusikalische Gesänge]
21
ibid [Ebenso habe ich 1808 den ersten Band meiner musikalischen Verfertigung unter dem Titel: Curses
Sacro-harmonicus, welcher 16 kurze Messen (für den Zeitraum) vom 1. Advetssonntag bis zu Quadragesimo
beinhaltet, dem verehrten Magistrat der königlichen Stadt Pilsen gewidmet]
22
Němeček, Jakub Jan Ryba, Praha 1963, S.130, Katalog, Nummer.339a-z
23
ibid, Katalog, Nummer 244-262
16
4
Aber auch auf weltlichem Gebiet arbeitet Ryba für Pilsen. Am 18. Oktober 1814 wurde in
Pilsen Rybas Kantate „Jubel der Pilsener“ anlässlich des Jahrestages des Siegs über Napoleon
bei Leipzig szenisch aufgeführt24.
Nemyslete rouháčkové,
Modou jatí mudráčkové,
Že já pro vlastní zisk pěji
Plzni z ruží věnce věji!
Nahlídněte v staré spisy!
(Týť vám řeknou: Co jsi-či jsi!)
Nahlídnete, tuť pak zvíte
Od Balbína chvály zvíte,
Které věrné Plzni dává,
Ji buď v Čechách věčná chvála!25
Ryba sollte seinen Cursus Sacro-harmonicus nicht vollenden.
Am 8. April 1815 beendete Jakub Jan Ryba sein Leben und Pilsen verlor nach mindesten 15
Jahren intensiven, musikalischen Kontaktes nicht nur einen Bürger, sondern auch einen seiner
bedeutendsten Komponisten.
Rätselhaftes Manuskript
Das heute im Museum der tschechischen Musik (Muzeum české hudby) aufbewahrte
Manuskript26 des Pilsener Stabat mater gibt einige Rätsel auf:
Sicher ist, dass František Křepelka, Regenschori bei der Pilsener St.Bartholomäus-Kirche,
1805 die Stimmen des Stabat mater revidierte, vielleicht sogar schrieb und dabei äusserst
sorgfältig vorging. Jede Instrumentalstimme ist am Ende mit der Bemerkung „Revisum a
Krzepelka“ bezeichnet, beide Stimmen der ersten Violine sowie die Stimme der 2. Vl sind
zudem mit „1805“ datiert. Lediglich die Stimmen der Oboe II, beider Klarinetten, des Corno
I, der Trompete wie Pauken tragen nur das Wort „Revisum“ ohne Namenszusatz. Die
Handschrift, die heute unter der Signatur XVIF89 im Museum der tschechischen Musik
aufbewahrt wird, trägt kalligraphischen Charakter, an Papier wurde überhaupt nicht gespart,
wie es bei Kopisten eigentlich üblich und in Zeiten der Napoleonischen Kriege zu erwarten
gewesen wäre. Einige Stimmen enden auf einem neuen Blatt mit den letzten Takten des
Werkes. Die Stimmen sind sehr übersichtlich, ja grosszügig geschrieben. All dies lässt auf
eine besondere Wertachtung der Komposition, vielleicht aber auch des Anlasses der
Aufführung schliessen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass diese
Komposition als Nr. 1 in den kirchenmusikalischen Fundus der Bartholomaei-Kirche
eingereiht wurde, also eine Art Grundstein dieses Fundus darstellte. Alle Stimmen mit
Ausnahme der ersten Violine sind einfach erhalten, lediglich die erste Violine existiert in
doppelter Ausführung. Wenn man davon ausgehen sollte, dass der Stimmsatz vollständig ist,
so lässt sich dank der Stimmen eine Besetzung des damaligen Orchesters wie Chores
rekonstruieren. Auch die Singstimmen existieren in einfacher Ausführung, was auf einen
24
František Augustín Slavík, Život a působení Jakuba Jana Ryby, Praha 1888, S.76
Rybas Autobiographie in Reimen abgedruckt in. František Augustin Slavík, Život a působení Jakuba Jana
Ryby, Praha 1888, S.69
26
Signatur XIVF98
25
5
maximal 12-köpfigen Chor schliessen lässt, wobei die Soli von den Choristen gesungen
wurden.
Das Stimmkonvolut wurde von einem von der Hand Rybas stammenden Titelblatt
zusammengehalten, das unter dieser Folge stark gelitten hat. DieLeitung der Musiksammlung
hat sich auf mein Bitten entschlossen, das Widmungsblatt nun in einem separaten Umschlag
aufzubewahren. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass das Titelblatt von anderem
Format ist.
Das aufgrund verschiedener Abreibungen und Abnutzungen zerstörte Blatt trägt folgende
Aufschrift:
ORATORIUM
super Hymnum
Stabat Mater
oblatum dedicatumque
Praenobili Domino Domino
Francisco Wenceslao Mattas
Viro Consulari Regiae Civitatis Pilsnae generoso
atque
consultissimo,
nec non Chori Ecclesiae S. Andreae Bartholomaei
Inspectori etc:
a me
Jacobo Joanne Ryba Authore
1805
Übersetzung:
ORATORIUM
über den Hymnus
Stabat Mater
angeboten und gewidmet
dem Hochgeborenen Herrn Herrn
Francisco Wenceslao Mattas
edelmütigen und weisen Rat der Königlichen Stadt Pilsen
sowie Inspektor des Chores der St. Andreae Bartholomäus-Kirche etc:
von mir
Jacobo Joanne Ryba, Autor
1805
Keine der Ryba-Monographien (Němeček, Berkovec) gibt diese Widmung korrekt wider. Bei
Němeček27 fehlt das Wort generoso, ebenso der Kommastrich nach consultissimo, was dann
zu einem entsprechenden Übersetzungsfehler führt, indem er diese Funktion auf den Chor,
nicht aber auf die Funktion im Stadtrat bezieht. Němeček übersetzt darüberhinaus Mattes´
Funktion als znalci jakož ředitel kůru chrámu sv. Bartholomeje [Kenner wie auch Direktor
27
Jan Němeček, Jakub Jan Ryba, Život a dílo, Praha 1963, S.250, Bem.36
6
des Chores zu St. Bartholomäus]. Regensschori aber war in dieser Zeit František Křepelka.
Erst dessen Sohn, ebenfalls František, wurde im September 1843 (!) Regenschori! Berkovec28
führt ohne Nennung der lateinischen Fassung eine freiere Übersetzung an.
Oben rechts schrieb Ondřej Horník29 das Datum der Schenkung (Darem z Plzně 10.9.1901) in
seine Sammlung. Auf Höhe der Überschrift „Oratorium“ findet sich rechts eine Anmerkung in
Bleistift: unbrauchbar. Hiermit war vermutlich das Werk aus dem ehemaligen
Kirchenmusikarchiv als den gegebenen Möglichkeiten nicht entsprechend ausgesondert
worden.
Unten rechts findet sich in schwarzer Tinte die Nummerierung des Kirchenmusikarchivs
St.Bartholomäus als No.1. Ecclesiae S.Bartolomaei sowie darunter von anderer Hand in
hellerer Tinte die Inventarnummer Inv. No.2. Um welches Inventar es sich hierbei handelte,
ist bislang ungeklärt. Da die Nummerierung nicht durchstrichen ist könnte es sich um eine alte
Nummerierung derselben Sammlung handeln.
Die Widmungsurkunde wie auch die Notenstimmen entstammen dergleichen Papiermühle,
jedoch nicht dem gleichen Jahrgang bzw. der gleichen Serie. Das Titelblatt kann als eindeutig
älter als das für die Anfertigung der Stimmen verwendete Papier eingestuft wreden.
Bei genauerem Hinsehen, erwecken im Widmungstext drei Details unsere Aufmerksamkeit.
1) bei Präzisierung des Widmungsträgers wird auch dessen Funktion als Inspektor des
Chores erwähnt, allerdings nicht, wie man erwarten würde, an der BartholomäusKirche sondern an einer dem Hl. Andrea geweihten Kirche.Ursprünglich hiess es:
nec non Chori Ecclesiae S. Andreae
Das Wort Andreae ist durchstrichen und rechts davon von fremder Hand durch die
Bezeichnung „Bartolomaei“ ersetzt. Diese Änderung gibt Rätsel auf und wird in
keiner Ryba-Literatur referiert. Mattes, wenngleich Pilsener Bürger, wohnte in
Hlohovice, wo er auch als Lehrer wirkte.30 Dort wie auch in Pilsen ist aber keine
Kirche zum Hl.Andrea nachweisbar. Dass Ryba den Patron der Pilsener Hauptkirche
nicht gekannt haben sollte, ist auszuschliessen, auch hätte er seinen Fehler sicher auf
neuem Papier korrigiert.
2) die Worte nec non scheinen von unsicherer Hand geschrieben zu sein, Schriftduktus
wie –neigung, enge Stellung der Buchstaben zueinander wie auch die Verwendung des
Häckchens über dem Buchstaben c schliessen Ryba als Schreiber aus. Logisch wäre,
dass diese zwei Worte von dem Schreiber hinzugesetzt wurden, der „Andreae“
gestrichen hatte. Das die Farbe der Tinte jedoch nicht der der Streichung und
Ergänzung Bartholomaei entspricht, muss diese Frage offenbleiben. Die Unsicherheit
der Schrift (siehe die verschiedene Schreibweise der drei „n“ in „nec non“) entspricht
aber sehr derjenigen des Wortes Bartholomaei (siehe die beiden „o“ sowie einige, die
Grundlinie verlierende Buchstaben). Diese zugesetzten Worte ändern jedoch nichts am
Sinn des Textes, nec non bedeutet im mittellateinischen „und“.
28
Jiří Berkovec, Jakub Jan Ryba, Praha 1995, S.
Ondřej Horník (1864 – 1917) war Sammler von Musikalien und Musikinstrumenten mit dem Ziel, eine
Monographie über ältere tschechische Musik zu verfassen, die er aber nicht vollendete.
30
Antonín Spelda, O zasloužilém plzeňském regenschori, Plzeňský deník (?), 25.4.1943, Kopie aus ZČM,
konvolut Mates
29
7
3) Die Datierung des Werkes ist mit anderer Tinte, aber sehr wahrscheinlich von Rybas
Hand geschrieben, was ein Vergleich mit Rybas Succus et flores31, ebenfalls von 1805,
nahelegt.
Zusammenfassend muss ich feststellen, dass Rybas Stabat mater-Vertonung für F.V.Matas
noch Rätsel aufgibt. Die Vorbereitung einer kritischen Notenausgabe wird in den nächsten
Wochen beendet sein und könnte 2009 erscheinen.
31
Jac.Joa.Ryba, Succus et flores, Manuskript von 1805, Brdský památník, Rožmitál pod Třemšínem
8